Interview mit GitLab-CEO Sid Sijbrandij „Wir sind im Bereich langweiliger Lösungen zu Hause“

Autor / Redakteur: Karin Johanna Quack / Stephan Augsten

GitLab rühmt sich, die einzige Toolbox zu haben, die den gesamten DevOps-Lifecyle abdeckt. Am Rande der Anwenderkonferenz „GitLab Commit“ sprach Dev-Insider mit dem CEO des Unternehmens, Sid Sijbrandij.

Anbieter zum Thema

Neben seinen Vorträgen auf dem GitLab Commit London fand CEO Sid Sijbrandij auch Zeit, sich mit Dev-Insider zu unterhalten.
Neben seinen Vorträgen auf dem GitLab Commit London fand CEO Sid Sijbrandij auch Zeit, sich mit Dev-Insider zu unterhalten.
(Bild: GitLab)

Dev-Insider: Nach Ihrer Ansicht sollte jedes digitale Produkt offen sein für externe Beiträge zur Verbesserung. Wie sieht das bei GitLab selbst aus?

Sid Sijbrandij: Wir denken, dass jeder die Möglichkeit haben sollte, etwas beizutragen – egal, ob er Software-Entwickler, Operator, Sicherheitsexperte oder Anwender ist. Von außen bekommen wir pro Monat rund 200 Vorschläge, wie wir unser System besser machen können – zusätzlich zu Hunderten von internen Vorschlägen.

Dev-Insider: Wie stellen Sie bei dieser Menge sicher, dass die richtigen Vorschläge umgesetzt werden und das Ganze nicht im Chaos endet?

Sijbrandij: Wir legen an die externen Vorschläge dieselben Standards an wie an die internen. Für die Einhaltung der Kriterien sorgt derzeit ein knappes Dutzend „Merge Request Coaches“. Sie stellen sicher, dass die Vorschläge auch die Ziellinie erreichen, dass also nicht nur der Code in Ordnung ist, sondern auch die Dokumentation stimmt, die Tests vorgenommen und die Sicherheitsbestimmungen eingehalten sind. Künftig wollen wir noch mehr dieser Coaches einsetzen. Wir wachsen ständig – allein in diesem Kalenderjahr von 400 auf knapp 1000 Leute.

Dev-Insider: Wie gelingt es Ihnen, so schnell so viele Leute zu integrieren?

Sijbrandij: Wir arbeiten alle remote, brauchen also keine Firmenbüros; ich habe auch keins. Aber wir halten die Leute an, jeden Tag eine oder zwei Stunden in die persönliche Kommunikation mit Kollegen zu investieren.

Dev-Insider: Sie sprechen in Bezug auf GitLab nicht von Open Source, sondern von Open Core. Was ist der Unterschied?

Sijbrandij: Der größte Teil unseres Codes ist Open Source und frei nutzbar, aber es gibt auch eine Menge proprietärer Features mit kostenpflichtiger Nutzung. Auch zu diesem Code können Sie beitragen, aber wenn Sie ihn nutzen wollen, müssen Sie dafür bezahlen.

Dev-Insider: Sie haben nicht nur eine kostenpflichtige Enterprise Edition, sondern gleich drei Ausführungen davon. Wie unterscheiden die sich?

Sijbrandij: Es handelt sich um drei Preiskategorieren, und die Features sind auf jedem Level andere, denn sie wenden sich an unterschiedliche Anwender: Die Starter-Ausführung enthält Funktionen, die Manager attraktiv finden, Premium richtet sich an Direktoren, Ultimate an Executives. Wir haben dafür den Begriff Buyer-based Open Core geschaffen.

Dev-Insider: Executives interessieren sich aber nicht wirklich für Entwicklerthemen, oder?

Sijbrandij: Nun, wir machen offenbar einen guten Job, indem wir den Topmanagern den Wert unseres Ultimate-Produkts verdeutlichen. Wir erklären ihnen, dass die Geschwindigkeit in ihren Unternehmen von der Software abhängt.

Dev-Insider: Apropos Geschwindigkeit – Sie räumen ein, dass Sie im Vergleich zum Mitbewerb relativ spät gestartet sind. Nach Ihren eigenen Worten müssen Sie deshalb schneller sein als ihre Konkurrenten, und Sie können sich weniger Fehler erlauben. Was bedeutet das in der Praxis?

Sijbrandij: Wir halten wir uns mit kreativen Rüschen und Schleifen zurück, denn wir sind im Bereich langweiliger Lösungen zu Hause. Vor allem aber müssen wir iterativ entwickeln, also in vielen kleinen Schritten. Wir veröffentlichen ein Stückchen Code, bekommen Kunden-Feedback und machen weiter oder gehen einen Schritt zurück. So merken wir rechtzeitig, ob wir auf einem Holzweg sind.

Dev-Insider: Die langweiligen Lösungen sind sogar in ihren Corporate Values festgeschrieben. Weitere „Werte“, die sich dort finden, sind ein positiver Cashflow, inkrementelles Wachstum und Selbständigkeit. Nicht gerade typisch für ein noch recht junges Tech-Unternehmen! Doch im November 2020 wollen Sie an die Börse gehen. Wie lassen sich Ihre Werte aufrechterhalten, wenn es um kurzfristigen finanziellen Erfolg und steigende Aktienkurse geht?

Sijbrandij: Sie haben den Wert vergessen, dem wir am meisten Aufmerksamkeit widmen müssen. Das ist die Transparenz. „Going public“ heißt ja in der Praxis keineswegs, transparent für die Öffentlichkeit zu sein. Viele Unternehmen fangen vielmehr an, nur noch selektiv zu kommunizieren. Auch sonst wird das sicher eine spannende Sache.

Dev-Insider: Nun haben Sie gerade 268 Millionen Dollar an frischem Kapital beschafft. Das ist mehr, als die vorangegangenen Finanzierungsrunden insgesamt erbracht haben. Warum müssen Sie überhaupt an die Börse?

Sijbrandij: Wir müssen ja nicht. Allerdings haben wir beschlossen, es lieber früher als später zu tun. Wir wollen ganz sicher nicht in eine Situation kommen, wo wir nur noch die Option haben, uns aufkaufen zu lassen. Außerdem wollen wir durch den Börsengang unser Profil schärfen und bekannter werden – vor allem bei den C-Level-Executives.

Dev-Insider: Zurück zur jetzigen Investitionsrunde. Wozu brauchen Sie das Geld?

Sijbrandij: Den größeren Teil davon verwenden wir, um Features, die wir schon eingebaut haben, zu verbessern. Unser Ziel ist es, sie „liebenswert“ zu machen. Die Anwender sollen sie wirklich gern anwenden; das ist unsere höchste Qualitätsstufe. Bislang erfüllt nur die Hälfte der Funktion dieses Kriterium.

(ID:46180868)