Überzogene Erwartungen bei der Blockchain Typische Pitfalls bei Blockchain-Projekten
Bei der Implementierung von Blockchain-Lösungen unterlaufen Unternehmen laut den Analysten von Gartner immer wieder sehr ähnliche Fehler. Daher müssen frühzeitig im Projektverlauf typische Stolpersteine identifiziert und ausgeräumt werden. So lässt sich dann auch rechtzeitig erkennen, für welche Prozesse sich eine Blockchain überhaupt eignet und wo sie nur neue Probleme bereitet.

Das von Gartner geprägte Modell des „Hype-Zyklus“ soll die einzelnen Phasen der öffentlichen Aufmerksamkeit für eine neue Technologie im Verlauf seiner Einführung darstellen. Dieser Zyklus umfasst verschiedene Phasen, die mit dem „technologischen Auslöser“ einer Innovation beginnt und das Interesse des Fachpublikums weckt, was zur nächsten Phase, dem „Gipfel der überzogenen Erwartungen“ führt. Daraus folgt eine Gegenbewegung, das sogenannte „Tal der Enttäuschungen“. In der anschließenden Phase, dem „Pfad der Erleuchtung“, wächst das Verständnis für die Vorteile, aber auch die Grenzen einer Technologie werden erkannt. In der letzten Phase, dem „Plateau der Produktivität“ wird die Technologie zusehends weiterentwickelt und solider.
Gartner erwartet Marktbeben bei Plattformen
Aktuell hat die Blockchain laut Aussagen der Analysten von Gartner den „Gipfel der überzogenen Erwartungen“ bereits passiert und ist auf dem Weg zur Phase des „Tals der Enttäuschungen“. Das ist der Punkt, an dem das allgemeine Interesse nachlässt, da Pilotprojekte und Proofs-of-Concepts die Hersteller nicht zeitnah dazu zwingen, die anstehenden Probleme zu lösen.
Laut Gartner überschätzen viele CIO die Fähigkeiten und den kurzfristigen Nutzen der Blockchain-Technologie für das Erreichen ihrer Geschäftsziele. Dies führt zu unrealistischen Erwartungen bei der Bewertung der Angebote von Anbietern und Dienstleistern von Blockchain-Plattformen. „Der Markt für Blockchain-Plattformen und -Technologien ist noch im Entstehen und es gibt keinen Branchenkonsens über Schlüsselkomponenten wie Produktkonzept, Funktionsumfang und zentrale Anwendungsanforderungen“, erklärt Adrian Leow, Senior Research Director bei Gartner. „Wir erwarten nicht, dass es in den nächsten fünf Jahren eine einzige dominierende Plattform geben wird.“
So behauptet Gartner in einer weiteren Studie, dass bis 2021 90 Prozent der aktuellen Blockchain-Plattform-Implementierungen von Unternehmen ersetzt werden müssten, um wettbewerbsfähig, sicher und relevant zu bleiben. Die Wertschöpfung durch die Blockchain soll bis zum Jahr 2025 auf mehr als 176 Milliarden US-Dollar und bis 2030 über 3,1 Billionen US-Dollar ansteigen. Die Analysten von Gartner raten daher an, dass sich die Produktmanager auf eine rasante Entwicklung, sich verändernde Konkurrenz, zukünftige Konsolidierung und die mögliche Obsoleszenz von Frühphasentechnologien auf dem Blockchain-Plattformmarkt einstellen müssen.
Eine noch unverstandene Technologie
Eine Umfrage von Gartner ergab, dass CIO die Technologie nicht einmal für ihre wichtigsten Funktionen nutzen wollen. Im Wesentlichen ist die Blockchain derzeit als Datenbank für gemeinsame Aufzeichnungen oder die Nachverfolgung von Vermögenswerten im Einsatz. Dass es sich hierbei um einen unveränderlichen Prüfpfad handelt, wird sträflich vernachlässigt. Die Analysten von Gartner kommen daher zu folgendem Schluss: Die Blockchain hat bisher viele Geschäftserwartungen noch nicht erfüllt.
Aus diesem Grunde macht sich unter den IT-Verantwortlichen eine spürbare Desillusionierung breit, da die Erwartungshaltungen und die tatsächlichen Anforderungen von Unternehmensprojekten sich gegenwärtig kaum decken. Dies rührt auch daher, dass die Blockchain noch nicht für alle Use Cases ausgereift ist. Andererseits liegt dieser Entwicklungsverlauf nach Meinung der Marktforscher aber auch an den typischen Pitfalls im Projektverlauf einer Blockchain-Implementierung.
Häufigste Stolpersteine bei Blockchain-Projekten
Doch wie sollen CIO, IT- und Business-Verantwortliche an das Thema Blockchain herangehen? Um dies herauszufinden, ob es einen Use Case für Distributed-Ledger-Installationen gibt, müssten Entscheider die konzeptionellen Unterschiede zu klassischen IT-Systemen verstehen. Hier ein paar Hilfestellungen:
1. Unverständnis und falscher Use Case
Die Blockchain wird hauptsächlich in Proof-of-Concept-Tests eingesetzt, um häufig die gleichen Aufgaben zu übernehmen, die eine herkömmliche Datenbank ebenfalls lösen könnte. Die eigentliche Innovation der Blockchain ist die Distributed-Ledger-Technologie (Technik verteilter Hauptbücher) und damit der dezentrale Konsensus. Das ermöglicht beispielsweise den Einsatz von Smart Contracts. Diese Vorteile werden von vielen Unternehmen gar nicht genutzt. Im Grunde sollen mit der Blockchain lediglich Prozesse verbessert oder Compliance-Vorgaben sicherer gemacht werden.
2. Blockchain-Technologie sei schon ausgereift
Viele Entscheider glauben, die bereits am Markt angebotenen Produkte sind technisch auf die Bedarfe hin ausgereift. Dagegen besteht der Markt größtenteils aus fragmentierten Plattformangeboten, die bestrebt sind, sich auf verschiedene Arten zu differenzieren. Das heißt, einige Blockchain-Plattformen fokussieren eher die Vertraulichkeit, Tokenisierung, Universalität von Transaktionen oder die digitale Darstellung von Fiat-Währungen oder Waren.
Gemäß den Analysten von Gartner müssen die meisten Angebote beispielsweise für umfangreiche Produktionsarbeiten, die mit den zugehörigen und erforderlichen System-, Sicherheits- und Netzwerk-Managementdiensten einhergehen, noch weiterentwickelt werden. Das bedeutet aber nicht, so Gartner, dass die Anwender den Einsatz der Blockchain noch hinausschieben sollten. Denn die Unternehmen können durchaus mit kurzen experimentellen Projekten starten, die eine eng begrenzte Zielsetzung verfolgen.
3. Bestandteile ergeben noch keine komplette Lösung
Noch vielfach wird missachtet, dass die Blockchain eine grundlegende Technologie ist, für die in der Regel noch zusätzliche Anwendungen erforderlich sind, um die gestellten Geschäftsanforderungen zu erfüllen. Das heißt, dass ebenfalls Funktionen wie zum Beispiel Benutzeroberflächen, Geschäftslogik und Interoperabilität integriert sein müssen.
„Es ist eine irrtümliche Annahme, die Blockchain sei auf Foundation-Ebene nicht weit von einer vollständigen Anwendungslösung entfernt“, so Leow. „Das ist keineswegs der Fall. Es ist besser, die Blockchain als Protokoll für eine bestimmte Aufgabe innerhalb einer vollständigen Anwendung zu sehen.“ So kann niemand auf die Idee kommen, dass ein Protokoll die einzige Basis für ein gesamtes E-Commerce-System oder ein soziales Netzwerk sein kann.
4. Blockchain ist keine Optimierung eines Storage-Systems
Manche hören „Distributed Ledger“ und verstehen Distributed Datenbank Management-Systeme (DBMS). Hier ist jedoch genau zu differenzieren: Herkömmliche DBMS verfügen zum Beispiel über ein komplettes CRUD-Modell, also Create, Read, Update und Delete. Das ist jedoch nicht die Funktion einer Blockchain. So unterstützen viele Blockchain-Plattformen bis dato auch nur Create und Read. Der Clou der Blockchain liegt vielmehr in einer nicht korrumpierbaren Dokumentation (immutable record) von jeder Transaktion.
5. Noch keine Interoperabilität
Manche Hersteller von Blockchain-Plattformen loben Interoperabilitätsstandards zwischen ihren und anderen Plattformen aus. Dieses Versprechen ist nur schwer vor dem Hintergrund zu halten, das die meisten Plattformen und ihre zugrunde liegenden Protokolle noch entworfen oder entwickelt werden müssen.
6. Smart Contracts noch nicht ausgereift
Die Möglichkeit, Smart Contracts zu unterstützen, gilt als das große Plus einer Blockchain. Doch laut Gartner ist die Technologie auch hier noch nicht wie fortgeschritten genug. Bis jetzt basieren Smart Contracts meist auf Programmiersprachen, die wie Java und C++ funktionieren, aber noch nicht das nötige Sicherheitsniveau bieten können. Die Smart Contract-Technologie wird sich für die Gartner-Analysten daher noch erheblich verändern. Aus diesem Grunde sollten CIO noch keine umfangreichen Implementierungen planen. Stattdessen sind eher kleinere Experimente angezeigt, mit denen man die Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten testen kann.
7. Aufwand für Governance wird unterschätzt
Die Analysten von Gartner halten alle Fragen rund um das Thema Governance für einen besonderen „Painpoint“. Wer mit einer Governance arbeiten will, muss dringend interne und externe Regeln für den Umgang mit Daten definieren. In einer privaten oder genehmigten Blockchain wird die Steuerung des Netzwerks normalerweise vom Eigentümer der Blockchain übernommen. Wogegen die Verantwortlichen bei öffentlichen Blockchains beziehungsweise größeren Organisationen darüber nahcdenken sollten, sich Konsortien anzuschließen oder Konsortien zu gründen, um Governance-Modelle zu definieren."
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