Interview mit Dr. Markus Noga, VP Solutions Technology, Suse Suse bringt VMs und Container näher, noch näher zusammen

Von Dr. Dietmar Müller |

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Auf der virtuellen „Susecon 2021“ präsentierte sich Dr. Markus Noga, seit Sommer vergangenen Jahres VP Solutions Technology bei Suse, den Kunden und Partnern. DataCenter-Insider befragte ihn zu den nächsten Schritten von Suse in Sachen Hyperconverged Infrastructure, Virtual Machines (VMs) und Container.

Dr. Markus Noga, VP Solutions Technology bei Suse, auf der Susecon 2021 im Gespräch mit  "Klingonen".
Dr. Markus Noga, VP Solutions Technology bei Suse, auf der Susecon 2021 im Gespräch mit "Klingonen".
(Bild: Müller)

Auf der Susecon haben Sie als einzig wirklich neues Produkt „Harvester“ vorgestellt, mit dem Suse in die Welt der hyperkonvergenten Infrastruktur (HCI) eintauchen will. Erzählen Sie uns mehr darüber…

Markus Noga: Harvester bietet die Möglichkeit, klassische VMs mit den Methoden von Kubernetes zu verwalten. Hier findet eine Konvergenz statt, die Container und VMs noch näher zusammenbringt. Mit Rancher und der Kubernetes-Basis-Infrastruktur zu arbeiten, hat die Produktivität in containerisierten Bereichen gesteigert. Das hat das Leben der Betriebsmannschaften stark vereinfacht. Wir glauben, dass wir durch die Anwendung dieser Container-Prinzipien und Werkzeuge auf klassische VMs weiteren Wert für unsere Kunden und Nutzer schaffen können.

Dr. Markus Noga ist seit Sommer 2020 VP Solutions Technology bei Suse.
Dr. Markus Noga ist seit Sommer 2020 VP Solutions Technology bei Suse.
(Bild: Noga)

HCI ist ein heißes Thema, die Hybrid Cloud aber auch. Praktisch alle Anwender planen damit. Warum sollten sich Anwender an Suse wenden, wenn sie eine Hybrid Cloud-Strategie verfolgen wollen?

Markus Noga: Die meisten unserer Kunden bewegen sich gerade aus dem Rechenzentrum hin zu hybriden Cloud-Umgebungen. Die wenigsten möchten sich dabei langfristig an nur einen Cloud-Anbieter binden. Ihre Umgebungen sind heterogen, beim Betriebssystem, auf der Ebene von Kubernetes und natürlich bei den Containern selbst.

Die große Stärke von 'Suse Rancher' ist es, solche heterogenen Landschaften mit einem einzigen Werkzeug alle zu überwachen. Egal, ob die Container lokal auf der Rancher Kubernetes Engine (RKE) oder auf den Kubernetes-Angeboten der Hyperscaler laufen: Rancher erlaubt es, Aufträge anzustoßen, zu überwachen und die Mobilität von Workloads sicherzustellen. Das ist der Grundstein für moderne hybride Clouds.

Natürlich stellt Suse auch das richtige Betriebssystem für all diese Bereiche bereit, egal ob für den Hypervisor, für einen Container-Host oder als Gast. Auch der Suse Manager ist gerüstet für solche hybriden Umgebungen. Der 'Suse Manager' ist offen für Dritt-Betriebssysteme und verwaltet diese mit. In Kombination mit der containerisierten Speicherlösung 'Longhorn' bietet Suse damit eine hervorragende Basis für Mobilität in hybriden Clouds.

Die wenigsten Softwarehäuser wollen sich auf Gedeih und Verderben einem einzigen Cloud-Provider ausliefern. Wie können sie einen Lock-in vermeiden? Suse stellt mit Betriebssystem, Container Management und containerisiertem Speicher die die Basis dafür bereit. Suse ist eben ein wirklich offener Open Source-Anbieter.

Aber wir haben den Eindruck, dass auf Applikationsebene die Hybrid Cloud noch gar nicht stattfindet. In Unternehmen arbeiten verschiedene Teams, jeweils für seine eigenen Bereiche zuständig, eines für AWS, eines für Azure, eines für Google, ein anderes nur für SAP etc. etc. Wer sich das nicht leisten kann, geht nur zu einem Cloud-Provider und machen sich entsprechend abhängig. Rancher ist damit überflüssig, weil ja gar keine Anwendungen in die Cloud verschoben werden – und schon gar nicht zurück.

Markus Noga: Es kommt darauf an, die richtigen Bausteine für Mobilität anzubieten. Die Mobilität von Compute ist mit Containern bereits grundsätzlich gegeben. Suse Rancher erlaubt es, diese Container auch einfach zu überwachen, zu steuern und zu verwalten.

Auch für Speicherlösungen sehen wir einen Trend zu Container-attached Storage und Containerisierung. Mit Longhorn hat Suse auch hier ein attraktives Open-Source-Projekt am Start. In Zusammenarbeit mit Partnern können wir auch weitergehende Lösungen wie Datenbanken mobil machen.

Wir sind auf einer Reise. Sie beginnt damit, dass wir Compute, Storage und Netzwerk interoperabel machen. Diese Reise ist längst noch nicht abgeschlossen. Deshalb ist das neue Suse Hybrid IT ein aktives Wachstumsfeld für uns.

Wie sieht denn für Sie die Vision einer Hybrid Cloud aus?

Markus Noga: Mit der Hybrid Cloud haben wir eine Entwicklung hin zu mehr Offenheit und Interoperabilität angestoßen. Ich glaube fest daran, dass die Idee der Container, die einheitliche Laufzeitumgebungen über Strukturen und Plattformen hinweg ermöglichen, der Schlüssel dafür ist, eine wirklich hybride Integration, ein hybrides Deployment und ein hybrides Management möglich zu machen.

Über Container-Plattformen tragen wir dazu bei, Backing-Services jeder Art in hybriden Umgebungen verfügbar zu machen. Das können Datenbanken, Nachrichtenbusse, Datenflussinfrastrukturen, Autorisierungsdienste oder andere Bausteine sein.

Es fällt auf, dass all diese Services bereits heute überwiegend Open Source sind. Daher besteht ein enormes Potential darin, solche containerisierten Backing-Services mobil über Infrastrukturen hinweg verfügbar zu machen. Das ist Teil unserer längerfristigen Container-Vision. Wir wollen damit verändern, wie Anwendungen gebaut, betrieben und weiterentwickelt werden.

Die Verwirklichung dieser Vision dürfte nicht einfach werden. Bei Kubernetes passiert ja gerade dasselbe wie bei Linux, es entwickeln sich verschiedene Ausprägungen. Das erschwert die Mobilität von Anwendungen, oder?

Markus Noga: Suse kann in einer heterogener werdenden Kubernetes-Welt mit einheitlichen Management- und Monitoring-Tools dazu beitragen, dass Kunden das ursprüngliche Versprechen von Containern einlösen können: Einheitlichkeit, Mobilität und Wiederverwendbarkeit in unterschiedlichen Umgebungen; klar definierte Kontrakte für Deployment und Betrieb auch über heterogene Infrastrukturen hinweg.

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Viele Kunden beginnen zunächst mit einem Cluster im Rechenzentrum. Dann fangen sie an, Cloud-Kapazitäten hinzuzunehmen. Möglicherweise müssen sie in mehrere Regionen gehen und operieren dadurch in Bereichen der Welt, in denen ein Hyperscaler nicht alle Antworten hat.

In Zeiten von zunehmendem digitalen Nationalismus und regional erwünschten Anbietern sind Kunden dann darauf angewiesen, sich auf hybride und heterogene Infrastrukturen einzulassen. Das braucht es heute, um wirklich global zu agieren und Lösungen anzubieten. Wir glauben, dass das Mobilitätsversprechen von Containern hier noch erhebliches Potential bildet. Lösungen wie Suse Rancher helfen unseren Kunden, dieses Potential zu realisieren.

Dies war die erste Susecon, auf der Suse und Rancher vereint sind. Wo ergänzt sich das Angebot aus Ihrer Sicht? Oder in anderen Worten: Was haben Anwender von dem Zusammenschluss?

Markus Noga: Die klassische Ebene von Betriebssystemen, die ein SLES bedient, wird immer stärker verwoben mit den Ebenen des Container-Betriebs und des Container-Management. Suse bietet auf allen drei Ebenen Lösungen an: das Betriebssystem SLES, Container-Distributionen wie 'RKE' und 'K3S', und Container-Management-Systeme wie Suse Rancher. Wir stimmen diese Produkte aufeinander ab. So können wir Flexibilität für unsere Kunden erzeugen und viele der grundlegenden Eigenschaften, die Kunden heute brauchen, über alle Ebenen hinweg umsetzen.

Um ein Beispiel zu nennen: FIPS-Zertifizierungen für Kryptografie (FIPS = Federal Information Processing Standard) ist etwas, das wir in Suse Enterprise 15 erreicht haben. Zertifizierte Kryptographie-Bausteine für einen sicheren Betrieb in Regierungsumgebungen sind eine solche Eigenschaft, die sich dann durch alle Produkte und Produktfamilien fortpflanzt. Die Wiederverwendung von zertifizierten Komponenten ermöglicht es einem Kunden, noch schneller in regulierten Umgebungen agieren zu können.

Container auf Grundlage von Suse Linux sind damit nicht nur nicht nur durch Rancher verwaltbar, sondern auch für den Einsatz in regulierten Umgebungen zugelassen. Das ist eines von vielen Beispielen dafür, wie Produktfamilien hier zusammenspielen und das Leben unserer Kunden einfacher machen.

Das Kubernetes-Universum ist ja noch vergleichsweise neu, so dass man manchmal vergisst, dass das Gros der Anwendungen im heimischen Rechenzentrum läuft und nicht containerisierbar ist. Kann die Kombination aus Suse und Rancher hier helfen?

Markus Noga: Ich würde nicht sofort unterschreiben, dass das Gros der Anwendungen nicht containerisierbar ist. Technisch containerisierbar ist fast alles, unabhängig davon, ob es sich ökonomisch lohnt.

Genau dort liegt der Knackpunkt: nicht für jede Bestandslösung lohnt sich eine Modernisierung, denn nicht jede Bestandslösung wird aktiv weiterentwickelt. Viele sind ja bereits in Wartung. Dann lohnt es sich oft nicht, sie nochmals anzufassen.

Unser neues Open-Source-Projekt Harvester eröffnet hier ganz neue Möglichkeiten: Unsere Kunden können damit klassische monolithische Anwendungen auf VM-Basis und containerisierte Anwendungen mit Suse Rancher steuern. So können sie Kostenvorteile im Betrieb erzielen, und einen schrittweisen Umbau von Anwendungen vorantreiben. Das ist einer der großen Werte, die Suse mit seinem aktuellen Portfolio für Kunden und Partner zu bieten hat.

Suse an der Börse

Was Insider schon seit Längerem vermuteten, ist nun vollzogen: Suse ist als Suse S.A. ein börsennotiertes Unternehmen.

Aus der Gerüchteküche; Wagt sich Suse aufs Parkett?

Seit 19. Mai 2021, während der Hausmesse „Susecon 2021“, werden die Aktien des Software-Anbieters aus Nürnberg in Frankfurt am Main gehandelt. Zuvor hatte das Unternehmen den finalen Ausgabepreis auf 30 Euro festgesetzt, das liegt am unteren Ende der ursprünglich geplanten Preisspanne zwischen 29 und 34 Euro.

Börsengang live während der virtuellen Konferenz „Susecon 2021“: Die Glocke des Börsenparketts ist virtuell, die Person in der Mitte ist kein Barbie-Puppen-Doupble, sondern die echte Powerfrau Melissa DiDonato, 47-jährigen Mutter einer Patchwork-Familie mit drei Kindern und CEO von Suse.
Börsengang live während der virtuellen Konferenz „Susecon 2021“: Die Glocke des Börsenparketts ist virtuell, die Person in der Mitte ist kein Barbie-Puppen-Doupble, sondern die echte Powerfrau Melissa DiDonato, 47-jährigen Mutter einer Patchwork-Familie mit drei Kindern und CEO von Suse.
(Bild: Suse)

Nach der so genannten IPO-Auktion hat festgestanden: Der Handel startet mit 29,50 Euro in den Handel über Xetra. Der Anbieter von Open-Source-Software, dessen Firmensitz seit 2011 wieder Nürnberg ist, wo das Unternehmen 1992 gegründet wurde, hat 37,7 Millionen Aktien in den Umlauf gebracht. Das Ausgabevolumen hat damit bei 1,12 Milliarden Euro gelegen – doppelt so hoch wie ursprünglich geplant.

Zwar hat Suse die erhoffte Bewertung nach dem IPO von 7 bis 8 Milliarden Euro verfehlt, die Aktie hatte kurzfristig an Wert verloren (27, 50 Euro), doch hat das Nürnberger Unternehmen auf eine Bewertung von rund 5,05 Milliarden Euro kommen können. Vor zwei Jahren hatte der Private-Equity-Investor EQT das Open-Source-Unternehmen von Micro Focus für 2,5 Milliarden Euro gekauft. Gestern Morgen zum Handelsbeginn hat der Wert bei 30,21 Euro pro Aktie gelegen.

Umsatzwachstum

Derzeit beschäftigt Suse rund 2000 Menschen. Kernprodukt ist nach wie vor das Open Source Betriebssystem „Suse Enterprise Linux Server“ (SLES). Nach eigenen Angaben setzen rund 60 Prozent der 500 umsatzstärksten Unternehmen dieses ein.

Im vergangenen Geschäftsjahr, das im Oktober 2020 geendet hat, hat sich der Umsatz von 447 Millionen Dollar zu 97 Prozent auf Kernprodukte und zu 3 Prozent auf neue Wachstumsbereiche aufgeteilt. Insgesamt hat Suse damit ein Umsatzwachstum von 17 Prozent verzeichnen können – das entspricht 503 Millionen Dollar. Die operative Umsatzrendite (Ebdita-Marge) hat bei 40 Prozent gelegen. Geografisch stellen Europa und angrenzende Regionen mit 49 Prozent den wichtigsten Markt dar, gefolgt von Nordamerika mit 35 Prozent.

Allerdings ist Suse nicht schuldenfrei. Die Verschuldung hat vor dem Börsengang bei rund 1,2 Milliarden Euro gelegen.

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