Blockchain-Speicher Storage-Dienste auf Blockchain-Basis
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Blockchain-basierte Storage-Dienste versprechen eine höhere Leistung, mehr Widerstandsfähigkeit gegen einen Daten-GAU und geringere Kosten als gewöhnliche Datenspeicher. Ob die einzelnen Dienste aber das halten können, was sie ihren Nutzern so vollmundig versprechen, steht und fällt mit deren Fähigkeit, die Integrität der jeweiligen Blockchain zu wahren.

In der digitalisierten Wirtschaft müssen Unternehmen überlebenswichtige Daten umgehend in Sicherheit bringen und unter Schloss und Riegel aufbewahren. Weder lokaler Speicher noch Cloud-Speicher zeigen sich auf Grund möglicher Ausfälle dieser anspruchsvollen Aufgabe gewachsen. Im Falle eines GAUs lassen sich die benötigten Daten mit Glück aus Sicherheitskopien restaurieren — aber wer hat schon die nötigen administrativen Ressourcen, um Storage zuverlässig zu verwalten.
Blockchain-gestützte Storage-Dienste nehmen für sich in Anspruch, die Herausforderungen persistenter, hochverfügbarer, unzerstörbarer Storage ohne direktes Engagement menschlicher IT-Admins viel effizienter zu lösen.
Tardigrade.io von StorJ Labs Inc.
Storj Labs Inc. möchte mit Hilfe der Blockchain-Technologie Cloud-basierten dezentralisierten Datenspeicher als Dienst namens Tardigrade.io bereitstellen. Die Plattform soll in der Lage sein, eine Vielzahl von Problemen rund um die Datensicherung auf einen Schlag zu lösen: durch eine Kombination aus Blockchain-Technik und den richtigen wirtschaftlichen Anreizen.
Der Tardigrade.io-Plattform von Storj liegt ein simples Geschäftsmodell zu Grunde: Wer über ungenutzten lokalen Speicher verfügt, soll diesen an andere Gemeindemitglieder vermieten können oder mit anderen Nutzern tauschen, um den eigenen Sicherheitskopien willkommene Redundanz zu verleihen. Zahlreiche ausgeklügelte Vorkehrungen sollen eine hohe Datensicherheit gewährleisten. So wird etwa jede Datei wie im Aktenvernichter in zahllose Teile aufgesplittet, jeweils separat verschlüsselt und redundant über das P2P-Netzwerk verteilt. Diese Art der Datensicherung resultiert in einer hohen Zugriffsgeschwindigkeit bei sehr niedrigen Kosten. Im Vordergrund soll aber die Datensicherheit stehen. Die Software ist so eingerichtet, dass sogar der Ausfall mehrerer einzelner Speicherorte an den betreffenden Daten keinen Schaden anrichten kann. Über den Aufenthaltsort der Daten führt Storj Buch in der Blockchain. So kann sich aus den verteilten Sicherheitskopien nur der legitime Besitzer „einen Reim machen“.
Das Unternehmen verspricht eine beachtenswerten Hochverfügbarkeit von 99,99999 Prozent, on par mit einem Datencenter. Zurzeit gibt es für Tardigrade.io noch eine Warteliste; der Dienst startet aber voraussichtlich Ende des Jahres.
Der Storage-Marktplatz 0Box von 0Chain
Bei der 0Box von 0Chain handelt es sich um eine kostenfreie, dezentrale Cloud-Speicherlösung. „Die ultimativ private Cloud: Keine Log-ins, keine E-Mails — transparent — sicher — anonym“, verspricht der Anbieter.
0Box adressiert die Entwickler von „sozialen“ Anwendungen. Der Dienst soll eine private, transparente und anonyme Speicherlösung zum Aufbewahren von Fotos, Videos und Beiträgen auf Basis der 0Chain-eigenen Blockkette bereitstellen. So ließen sich diese Datenbestände von der Kontrolle der dominierenden sozialen Netzwerke befreien.
0Chain-Speicher sei „preiswerter, bis zu 5-fach schneller und «um die 10 Neunen» mehr verfügbar als eine traditionelle Cloud“, verspricht 0Chain. Mit seinen „um die 10 Neunen“ ist eine Verfügbarkeit von 99,999999999999 gemeint (insgesamt also 14 „Neunen“, klingt irgendwie besser). Die Blockchain wurde konzipiert, um die Ausführung von DApps in weniger als jeweils einer Sekunde zu ermöglichen. Das ist um ein Vielfaches schneller als der goldene Standard der Blockchain-Gemeinde, Ethereum. Zum Vergleich: Herkömmliche Cloud-Speicherlösungen wie Amazon S3 können Dateien in Millisekunden speichern.
Um die Gesamtleistung des Systems zu maximieren, unterscheidet 0Chains Blockkette vier Rollen der sogenannten Blockchain-Dienstleister: Miners, Sharders, Blobbers, & Validators. Die Miners erzeugen neue Datenblöcke. Die Sharders, separat von den Miners, speichern die Datenblöcke der 0Chain-Blockkette. Für die Sicherung der eigentlichen Daten (also Bildern, Multimedia und anderen Dateien) im 0Chain-Netzwerk zeichnen die sogenannten Blobbers verantwortlich. Die Aufgabe der Validators besteht darin, sicherzustellen, dass die anderen Teilnehmer nicht schummeln, sodass es die Daten bei Bedarf dann auch wirklich gibt.
Mit ZCN führt 0Box einen eigenen Token ein. Die vielen verschiedenen Wartungsaufgaben der Netzwerkknoten bekommen die beteiligten Teilnehmer in ZCN vergütet. Ob das von 0Chain avisierte Geschäftsmodell angesichts der vielen Netzwerkgebühren auf die Dauer tragfähig ist, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall drängt sich die Frage auf, ob das 0chain-Team nicht lediglich versucht, nach dem Initial Coin Offering (ICO) noch mehrere erfolgreiche Funding-Runden zu gewinnen, um sich dann meistbietend an Venture-Kapitalisten aus Silicon Valley zu verkaufen.
Die Null (0) in „0chain“ und „0Box“ repräsentiert das Attribut „kostenfrei“ und steht somit im Einklang mit der ursprünglichen Zielsetzung. In der Zwischenzeit hat sich der Anbieter diverse Modelle zur Monetarisierung von Daten, Speicher und Rechenleistung einfallen lassen und möchte den Dienst als einen Marktplatz auslegen. Die 0chain verspricht ihren Nutzern derzeit einen Terabyte „sicherer“ Blockchain-Storage.
Die hauseigenen Entwickler bewerben die eigene Blockchain als ein Produkt mit unendlicher Skalierbarkeit (mit „infinite scalability“). Laut der aktuellen Roadmap soll der Dienst im dritten Quartal durchstarten.
Sia.tech
Sia.tech, ein Tochterunternehmen von Nebulous aus Boston im U.S.-Bundesstaat Massachusetts, hat einen Marktplatz für dezentralisierten, Blockchain-gestützten Dateispeicher geschaffen. Wer über überschüssigen Speicher verfügt, kann diesen im Sia-Netzwerk gebührenpflichtig bereitstellen. Wer seine Daten sichern archivieren möchte, kann hier eine unverwüstliche (sekundäre) Sicherheitskopie seiner digitalen Schätze anlegen. Die aktuelle Version der Plattform trumpft mit Features wie Snapshots und der Seed-basierten Dateiwiederherstellung.
Die Sia-Software teilt die Dateien vor dem Hochladen in 30 Segmente auf, verschlüsselt diese und überträgt einzeln auf jeweils einen eigenen, zufällig gewählten Host. Dieser Ansatz soll sicherstellen, dass kein Speicheranbieter über die gesamte Datei verfügt. Er erhöht außerdem die Gesamtnetzwerkverfügbarkeit und -redundanz. Soweit so gut.
Zur Abwehr vor Sybil-Attacken (siehe dazu den Bericht „Cybersicherheit“) nutzt Sia das PoW-Verfahren. Das Mining der Sia-Blockchain läuft auf ASICs. Ursprünglich war geplant, die ASICS durch ein Schwesterunternehmen von Sia namens Obelisk herzustellen. Mit dem überraschenden Markteintritt der chinesischen Bitmain hätten sich diese Pläne aus Kostengründen in Wohlgefallen aufgelöst, bejammert Sia auf der eigenen Webseite.
Anstatt einen Hard-Fork zu wagen, hat Sia.tech die Mining-Hardware zur Transaktionsaufzeichnung dem freien Markt überlassen. Aktuell sei die chinesische Innosilicon Technology Ltd. der dominierende Anbieter von Mining-Hardware im Sia-Netzwerk.
Ungenutzter Speicher als eine neue Wertschöpfungsquelle dank der Blockchain
Dem Geschäftsmodell Blockchain-gestützter Storage-Dienste liegt ein lobenswerter Gedanke zugrunde: das Minimieren von Unwirtschaftlichkeiten durch die Gewährleistung einer produktiven Auslastung zuvor ungenutzter Speicher-Ressourcen. In Kombination mit der höheren Redundanz und den niedrigeren Gesamtkosten können so tatsächlich verlockende dezentralisierte Storage-Dienste entstehen. In allen Fällen ist die die Storage-Hardware durch die Netzwerk-Mitglieder ja bereits vorfinanziert worden. Die Netzwerkmitglieder tragen außerdem auch die Stromkosten und das Ausfallrisiko; im Gegenzug kommen ihnen garantierte Umsatzströme aus sonst wertlosen Vermögenswerten zu Gute. Die Startups wollen anteilsweise an dem Gesamtvolumen der produktiven Nutzung zuvor brach liegender Storage-Ressourcen verdienen und so innovative Wertschöpfungsströme erschließen.
Das schwächste Glied der Kette
Die Netzwerkdominanz einer Hardware-Implementierung ist bei öffentlichen PoW-Blockchains an sich nichts Außergewöhnliches. Praktisch jede öffentliche PoW-Blockchain (derzeit noch mit der lobenswerten Ausnahme der Bitcoin-Blockchain) unterliegt der Dominanz eines einzigen Hardwareanbieters. Das Ethereum-Netzwerk soll überwiegend die Innosilicon A10 tragen. Bei Zcash ist es die Innosilicon A9, bei Dash die Spondoolies SPx36, bei Decred die Whatsminer DCR von MicroBT. Inwiefern diese Dominanz die 51-Prozent-Attacke erleichtern (oder erschweren) kann, ist vielen dabei unklar.
Eine ASIC unterstützt typischerweise nur eine einzige Blockchain, eventuell aber auch die damit eng verwandten Forks. Wer eine 51-Prozent-Raubattacke gegen eine Blockchain aus der jeweiligen Familie durchführen sollte, würde seine Hardware mit der Vernichtung dieser Plattform verschrotten müssen.
Viele Branchenbeobachter gehen davon aus, dass die Hersteller von Mining-Rigs an einem solchen Szenario kein Interesse haben. Der Gedanke dahinter: ASIC-Anbieter seien besser bedient, die sprichwörtliche Kuh zu melken (also ehrliches Mining zu unterstützen, um immer wieder neue Hardware zu verkaufen) statt zu schlachten (sprich: mit Hilfe der eigenen Hardware insgeheim einen 51-Prozent-Raubüberfall gegen die betreffende Blockchain-Plattform zu inszenieren, um sich die Koffer mit Krypto-Vermögenswerten vollzustopfen).
Es ist für viele unvorstellbar, dass ein ASIC-Hersteller mit der 51-Prozent-Attacke „den Ast absägen“ würde, auf dem er selbst sitzt. Doch diese Sicht der Dinge basiert auf einer Reihe von realitätsfremden Annahmen und könnte sich schnell als ein Irrglaube entpuppen. Hardwareimplementierungen können Fehler haben, die sich durch Unbefugte ausnutzen lassen. Unehrliche Ingenieure können Backdoors einbauen. Gewisse Nationalstaaten wollen insgeheim gegen die Interessen anderer Akteure vorgehen können. Selbst das Management einer Hardwareschmiede könnte sich mit einem ansehnlichen Krypto-Raub vor einem absehbaren Untergang des eigenen Geschäfts abseilen wollen. Diese und andere Szenarien haben sich in der Realität ja auch schon abgespielt.
Noch schlimmer: Hardware-Anbietern wie der chinesischen Bitmain konnte Sia.tech das sogenannte Secret Mining nachweisen: Die heimliche Nutzung von Pre-Release-Hardware (Antminer A3), um sich Performance-Vorteile zu erschleichen. Der Web-Dienst crypto51.app veranschlagt die voraussichtlichen Kosten einer 51-Prozent-Attacke gegen PoW-getriebene Blockchains durch unehrliche Netzwerkteilnehmer. Der einzige Schönheitsfehler dieser Betrachtungsweise: Secret Mining wird hier außer Acht gelassen. In der Realität sind die Kosten also potenziell um Einiges niedriger.
Eine Blockchain, die nicht den Großteil der Umsätze für eine bestimmte ASIC-Architektur ausmacht aber begehrenswerte Werte aufzeichnet, könnte zum Ziel einer 51-Prozent-Attacke über die Mining-Hardware werden (sei es via deren APIs oder den Remote-Zugang). Das schwache Sicherheitsmodell GPU-generierter Kryptowährungen hatte in der Vergangenheit für solche Angriffe ja bereits gesorgt — zum Beispiel im Falle der Vertcoin-Blockchain.
Was es für Sia.tech und andere Storage-Dienste bedeutet, liegt auf der Hand. Die Behauptung, Blockchain-gestützter dezentralisierter Speicher sei „unverwüstbar“, ist weit hergeholt. Denn das Schreddern und Zuweisen von Dateischnipseln zu Hosts lässt sich nur dann rückgängig machen, wenn die Blockchain ihre Integrität wahren kann. Ist es nicht der Fall, sind die auch die Daten futsch.
Fazit
Blockchain-basierte Storage-Dienste versprechen eine höhere Leistung, mehr Widerstandsfähigkeit gegen einen Daten-GAU und geringere Kosten als gewöhnlicher Datenspeicher (da sie mit einem geringeren administrativen Overhead aufwarten). Die Technologie erscheint tatsächlich sehr verlockend und zukunftsträchtig. Ob die einzelnen Dienste das halten können, was sie ihren Nutzern so vollmundig versprechen, steht und fällt allerdings mit deren Fähigkeit, die Integrität der jeweiligen Blockchain zu wahren.
Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt sein sollte, könnten die Anbieter den Anspruch auf die Unverwüstlichkeit des eigenen Speichers erheben. Damit ist es momentan leider nicht ganz so weit her. Bis die Anbieter die unvermeidlichen Kinderkrankheiten (wie manchen konzeptionellen Fehler) ihrer innovativen Storage-Lösungen behoben haben werden, ist daher höchste Vorsicht geboten, was die Datensicherung auf diesen Plattformen angeht. Die Lösungen sind viel versprechend, da sie viele drückende Probleme im Zusammenhang mit der Sicherung von Daten auf einen Schlag lösen. Hoffentlich werden sie auch schnell genug die nötige Reife erreicht haben.
Über die Autoren: Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins arbeiten für McKinley Denali Inc. (USA).
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