SUSECON Digital 2020 Simplify, Modernize, Accelerate

Von Anna Kobylinska und Filipe Martins*

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Auf der Open Source-Konferenz SUSECON 2020, die vom 20. Mai bis zum 30. September stattfindet, enthüllt die Linux-Schmiede ehrgeizige Zukunftspläne und lüftet den Schleier von strategischen Partnerschaften. Das Produktportfolio bleibt kaum noch überschaubar. Dafür ist die Zielsetzung klar umrissen.

Melissa Di Donato, CEO von SUSE, hat in ihrer Keynote mit einem Umriss der Zukunftsvision unter dem Motto „Simplify, Modernize, Accelerate“ (Vereinfachen, Modernisieren, Beschleunigen) den Ball ins Rollen gebracht.
Melissa Di Donato, CEO von SUSE, hat in ihrer Keynote mit einem Umriss der Zukunftsvision unter dem Motto „Simplify, Modernize, Accelerate“ (Vereinfachen, Modernisieren, Beschleunigen) den Ball ins Rollen gebracht.
(Bild: SUSE)

Die COVID-19-Krise hat die SUSECON 2020 ins Internet verschlagen. Umgetauft in SUSECON Digital 2020 findet das Stelldichein der SUSE-Gemeinde erstmals „nur“ online statt. Melissa Di Donato, Chief Executive Officer des Linux-Pioniers, hat in ihrer Keynote mit einem Umriss der Zukunftsvision unter dem Motto „Simplify, Modernize, Accelerate“ (Vereinfachen, Modernisieren, Beschleunigen) den Ball ins Rollen gebracht.

Der Linux-Pionier ging durch die Hände vieler verschiedener Eigentümer, von Novell über Attachmate bis hin zu Micro Focus, bevor die schwedische Private-Equity-Gruppe EQT dem Unternehmen vor rund einem Jahr seine Unabhängigkeit schenkte. Seit rund zehn Monaten hat SUSE die Freiheit, unbelastet durch übergeordnete Prioritäten eines strategisch verwandten Mutterkonzerns neue Partnerschaften aufzubauen und neue Wege zu gehen.

Diese neue Freiheit, zu innovieren, kam unter anderem in der „Engineering and Innovation Keynote“ zum Ausdruck. Zu Wort kamen hier Dr. Thomas Di Giacomo, President of Engineering and Innovation, Daniel Nelson, VP Product Management und Lisa Sherwell, VP Business Transformation bei SUSE. Die Session sollte die Strategie von „Simplify, Modernize, Accelerate“ von dem innovationstechnischen Standpunkt her beleuchten; stattdessen gewährt sie den Teilnehmern vorrangig interessante Einblicke in aktuelle strategische Partnerschaften von SUSE. Das Unternehmen will im laufenden Jahr seine Beziehungen zur quelloffenen Gemeinde ausbauen und seine Präsenz an der Netzwerkkante in Nutzungsszenarien wie autonome Fahrzeuge dank KI stärken.

SUSE Cloud Application Platform Developer Sandbox

Melissa Di Donato zeichnet für die Zukunftsvision von SUSE seit knapp einem Jahr verantwortlich.
Melissa Di Donato zeichnet für die Zukunftsvision von SUSE seit knapp einem Jahr verantwortlich.
(Bild: SUSE)

Di Donato bekundet gerne ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Kundschaft und der Entwicklergemeinde von SUSE. Pünktlich zur SUSECON Digital 2020 ließ das Unternehmen den hohen Versprechungen auch schon Taten folgen. Mit der SUSE Cloud Application Platform Developer Sandbox möchte SUSE seinen Entwicklern die Bereitstellung von Code erleichtern. Die Sandbox ist unter der Adresse https://www.explore.suse.dev/ samt Diskussionsforen und Dokumentation zu finden.

„Wir wollten es [den Entwicklern] erleichtern, von den Best Practices zu profitieren“, erklärte Di Donato. Mit der SUSE Cloud Application Platform können Entwickler handfeste Erfahrungen sammeln, um Anwendungen zu erstellen, die sich „überall ausführen lassen, von On-Premises über private bis hin zu öffentlichen Clouds“. Entwickler sollen hier ihre Fähigkeiten „ganz einfach“ ins Spiel bringen können, ohne „erst noch eine eigene Bereitstellung aus dem Boden zu stampfen“, so Di Donato.

Integrationen mit Microsoft Azure

Die Coronakrise habe der Bedeutung der digitalen Transformation Nachdruck verliehen, glaubt Di Donato. Umfragen unter den Kunden hätten ergeben, dass sich Unternehmen für ihre IT mehr Simplizität wünschen. „Wir arbeiten daran, die Dinge für unsere Kunden zu vereinfachen“, bestätigt Di Giacomo. SUSE fokussiert fortan laserscharf auf diese Aufgabe und hat hierzu einige Integrationen für Microsofts Cloud-Plattform Azure entwickelt.

Microsoft Azure Arc für Server, selbst erst noch eine Preview, unterstützt bereits SUSE Linux Enterprise Server (SLES) und SUSE CaaS Platform. Azure Arc erweitert die Fähigkeiten zur Verwaltung von Azure-Bereitstellungen auf Server und Kubernetes-Cluster außerhalb Microsofts Cloud und kann so unter anderem Azure-Datendienste für externe Arbeitslasten verfügbar machen sowie die Einhaltung von Compliance-Richtlinien durchsetzen. Azure Arc bietet hierbei eine zentrale Verwaltungssteuerungsebene mit Sicherheits- und Governance-Features für SLES-Systeme, die zum Beispiel auf Edge-Bereitstellungen oder in anderen Clouds außerhalb Azure gehostet werden. Für die Verwaltung der softwaredefinierten Infrastruktur zeichnet SUSE Manager verantwortlich, ein quelloffener Orchestrierer von Linux-Servern und IoT-Endpunkten mit Unterstützung für Bare-Metal-Deployments, VMs und Container.

Auch andersherum wird ein Schuh draus. Unternehmen können SUSE Cloud Application Platform auf Microsoft Azure über ein Bring-Your-Own-Abonnement aus dem Azure Marketplace in Betrieb nehmen. Diese Version vereinfacht die Bereitstellung der SUSE Cloud Application Platform auf Azure Kubernetes Service. Die Lösung beinhaltet die benötigten Terraform-Skripte zur Einrichtung von Kubernetes-Clustern. Dank der Open Service Broker-API können Benutzer das gesamte Azure-Ökosystem einspannen.

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Selbst HPC-Nutzer kommen auf ihre Kosten. Azure Marketplace bietet nun SUSE Linux Enterprise High Performance Computing wahlweise im Pay-as-you-go-Modell (PAYG) und im Bring-Your-Own-Subscription-Angebot (BYOS).

SUSE Linux Enterprise HPC basiert auf einem speziell für Azure abgestimmten Kernel, der auf Latenzminimierung und die Optimierung von Datendurchsatz hin getrimmt ist. Mit dieser Lösung können Unternehmen die Bereitstellung und Skalierbarkeit ihrer Anwendungen nativ oder durch Cloud-Bursting beschleunigen. Den Support Level 1 und Level 2 bietet SUSE für die BYOS-Edition und Microsoft für PAYG. Den Level-3-Support bietet in beiden Fällen SUSE.

Microsofts Referenzarchitektur für SAP S/4HANA auf Linux-VMs in Microsoft Azure: Für die Bereitstellung hochverfügbarer NFS-Storage zeichnet entweder SUSE DRDB oder Red Hat GlusterFS verantwortlich; alternativ können Unternehmen den Dienst Azure NetApp Files mit optionaler Unterstützung für ASCS (Azure SAP Central Services) auf SLES einspannen, der im Übrigen ohne ein NFS-Cluster auskommt.
Microsofts Referenzarchitektur für SAP S/4HANA auf Linux-VMs in Microsoft Azure: Für die Bereitstellung hochverfügbarer NFS-Storage zeichnet entweder SUSE DRDB oder Red Hat GlusterFS verantwortlich; alternativ können Unternehmen den Dienst Azure NetApp Files mit optionaler Unterstützung für ASCS (Azure SAP Central Services) auf SLES einspannen, der im Übrigen ohne ein NFS-Cluster auskommt.
(Bild: Microsoft)

Auf dem Weg zur Turbo-Digitalisierung

SUSE hat auch bereits konkrete Nutzungsszenarien der eigenen Lösungen ins Visier genommen, allen voran SAP. „SAP ist unternehmenskritisch für so viele Organisationen“, erklärt Daniel Nelson, VP Product Management. SUSE habe die Bereitstellung von SAP-Lösungen in Zusammenarbeit mit Azure für seine Kunden vereinfacht, nicht zuletzt auch durch die Vorstellung von SUSE Linux Enterprise Server for HPC auf Microsoft Azure.

Microsofts Referenzarchitektur für SAP HANA auf Microsoft Azure Large Instances nutzt SUSE Linux-Images.
Microsofts Referenzarchitektur für SAP HANA auf Microsoft Azure Large Instances nutzt SUSE Linux-Images.
(Bild: Microsoft)

Um die Vision „Simplify, Modernize, Accelerate“ für seine Nutzer zu verwirklichen investiert SUSE in strategische Partnerschaften. Dr. Di Giacomo verweist unter anderem auf die Kooperation mit Dell im Bereich der Edge-IT und mit Fujitsu im Storage-Bereich. SUSE zeigt sich auch bereit, völlig neue Wege zu beschreiten wie im Falle der strategischen Partnerschaft mit der Elektrobit Automotive GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Continental AG aus dem bayerischen Erlangen.

Strategische Partnerschaft mit Elektrobit

SUSE und Elektrobit haben sich zusammengetan, um gemeinsam „das erste sicherheitszertifizierte Linux“ für die Automobilindustrie zu entwickeln, gab SUSE zum Anlass der Online-Konferenz bekannt. Softwarelösungen von Elektrobit, dem preisgekrönten und in eigenen Worten „visionären globalen Zulieferer von betriebssystemunabhängiger eingebetteter und vernetzter Software für die Automobilindustrie“, haben es in über 1 Milliarde Geräte geschafft, die in über 100 Millionen Autos ihren Dienst verrichten. Software werde zum wichtigsten Innovationstreiber fürs Auto, glaubt Alexander Kocher, President und Managing Director bei Elektrobit Automotive, „das weckt unsere Leidenschaft für die Entwicklung von Softwarelösungen für die Automobilindustrie." Autos seien dabei, sich in IoT-Endgeräte zu verwandeln, sagte Kocher. In jedem Wagen schlummerten nach Angaben von Elektrobit 150 Millionen Code-Zeilen.

„Wir sind Softwareentwickler, die die Zukunft der Mobilität erschließen“, sagte Alexander Kocher, President und Managing Director bei Elektrobit Automotive, über sein Unternehmen,
„Wir sind Softwareentwickler, die die Zukunft der Mobilität erschließen“, sagte Alexander Kocher, President und Managing Director bei Elektrobit Automotive, über sein Unternehmen,
(Bild: Elektrobit Automotive GmbH)

Die Erfahrung von Elektrobit im Automobilbereich in Kombination mit der Erfahrung von SUSE mit IT-Infrastrukturen soll den beiden Partnern ermöglichen, ein „Linux-basiertes Betriebssystem der nächsten Generation für die intelligenten Fahrzeuge der Zukunft bereitzustellen“.

Künstliche Intelligenz aus dem Hause SUSE

Im kommenden Quartal plant SUSE die Vorstellung einer eigenen KI-Lösung. Diese soll „die Integration der wichtigsten KI-Bausteine vereinfachen, die für die schnelle Entwicklung, das Testen und die Bereitstellung der nächsten Generation von Intelligence-Lösungen erforderlich sind“, erklärte Melissa Di Donato.

Seit Googles quelloffenes KI-Framework Tensorflow seinen Weg zum Package Hub, der (offiziell nicht unterstützten) Repo der SUSE-Gemeinde, gefunden hat, zeichnen sich möglicherweise die Konturen der kommenden KI-Lösung ab. Der Gemeinde steht ja auch bereits u.a. eine ML-Appliance als eine VM auf der Basis von openSUSE für KVM, Xen, VMware und MS Hyper-V-Hypervisors mit einem üppigen Bundle an quelloffenen Tools zur Verfügung.

KI und ML stellen sicherlich ein zukunftsträchtiges Betätigungsfeld für die Ingenieure wie auch die Nutzer dar. SUSEs kommende KI-Lösung werde „sowohl Datenwissenschaftlern als auch IT-Betriebsteams zugutekommen“, verspricht Di Donato.

Fazit der Autoren

Nicht einmal die Coronakrise konnte SUSE davon abhalten, auf der diesjährigen SUSECON neue Pfade einzuschlagen und den Nutzern wie auch Entwicklern wertvolle Einblicke in die bevorstehende Roadmap zu gewähren.

Jener Teil der Strategie, der sich bereits in handfesten Lösungen manifestiert, dreht sich um hybride Deployments im Rechenzentrum wie auch an der Edge dank ihres Standbeins auf Microsoft Azure. Die kostenfreie SUSE Cloud Application Platform Developer Sandbox und die derzeit ebenfalls kostenfreie Online-Schulungsplattform sollen Entwicklern den Einstieg wie auch die tägliche Arbeit erleichtern. Die strategische Partnerschaft mit Elektrobit lässt ebenfalls auf interessante Innovationen hoffen.

Die in Kürze erhoffte KI-Lösung von SUSE ist vorerst noch geheimnisumwittert.

Die Zielsetzung, das Management von Enterprise-IT zu simplifizieren, Altlasten zu modernisieren und die digitale Transformation zu beschleunigen – Stichwort „Simplify, Modernize, Accelerate“ – klingt eigentlich sehr verlockend. Die eigentliche Musik spielt sich jedoch erfahrungsgemäß in der praktischen Ausführung ab. Der laserscharfe Fokus auf die Bedürfnisse von Unternehmenskunden und die entschlossene Unterstützung der Entwicklergemeinde lassen jedenfalls auf Gutes hoffen. In diesem Sinne dürfte SUSE auf Wachstum hinsteuern.

* Das Autorenduo

Anna Kobylinska und Filipe Martins arbeiten für McKinley Denali Inc. (USA).

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