Agile Methoden Scrum – Agilität im Konzern

Autor / Redakteur: Michael Huber / Ulrike Ostler

Agile Vorgehensmodelle stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Die Einführung von Scrum verlangt eine ehrlich gemeinte Bereitschaft zur Agilität. Nicht selten kommt es allerdings zu einer Verwässerung. Doch die Schwierigkeiten lassen sich meistern.

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Agile Vorgehensmodelle stellen nicht nur für Entwicklerteams eine Herausforderung dar. Auch Manager und Kollegen brauchen ein neues Selbstverständnis ihrer jeweiligen Rolle.
Agile Vorgehensmodelle stellen nicht nur für Entwicklerteams eine Herausforderung dar. Auch Manager und Kollegen brauchen ein neues Selbstverständnis ihrer jeweiligen Rolle.
(Bild: geralt - Pixabay.com / CC0 )

Scrum ist eine Erfolgsgeschichte. Die Scrum Alliance [1] berichtet von über 40.000 Certified Scrum Masters und hat seit 2002 mehr als 170.000 Personen in den verschiedenen Scrum-Rollen zertifiziert. Von allen agilen Methoden wird in Unternehmen in 84 Prozent aller Fälle Scrum verwendet [2].

All diese Firmen versprechen sich einen Wettbewerbsvorteil oder Qualitätsgewinn beim Einsatz dieses inkremetellen, iterativen Vorgehensmodells. Und die Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen [3]:

  • Scrum ist transparent (Transparency),
  • Scrum ermöglicht, Ergebnisse iterativ zu überprüfen (Inspection) und
  • Scrum lässt jederzeit Anpassungen zu (Adaptation).

Gerade in Softwareprojekten, bei denen das Lieferobjekt einer stetigen Weiterentwicklung unterworfen ist, eignet sich Scrum. Am Ende jedes Sprints können die getätigten Änderungen an einem lauffähigen Produkt demonstriert, getestet und dieses dann in Produktion gebracht werden.

Scrum in der Praxis

Dadurch nimmt der Auftraggeber mehr Einfluss auf die Umsetzung eines laufenden Projekts und muss nicht bis zum Projektende warten, bis die korrekte Umsetzung der Anforderungen überprüft und beanstandet werden kann. Dann ist es nämlich meistens schon zu spät.

Als IT-Dienstleister, der häufig bei Kunden mit Scrum arbeitet, erhält man Einblicke, wie die Einführung und Umsetzung des agilen Manifests [3] durchgeführt wird. Jede Firma geht hier ihren eigenen Weg und so variiert auch die Anwendung von Scrum. Oft wird Scrum nur von der Entwicklungsabteilung gelebt oder in einer abgewandelten Form durchgeführt.

Eine wichtige Grundvoraussetzung für die Anwendung von Scrum in großen Organisationen ist die Synchronisation parallel arbeitender Scrum-Teams. Durch Festlegung von gleich langen Sprints mit anschließendem Live-Release wird gewährleistet, dass übergreifende Storys zusammen geplant und gemeinsame Features zum selben Zeitpunkt in Produktion gebracht werden.

Die Skalierung von Scrum

Entwicklungsteams sollten die Anzahl von fünf Entwicklern nicht überschreiten, da sonst die Gefahr besteht, dass den einzelnen Mitgliedern der Überblick über Storys des Sprints verloren geht [5]. Da die Größe der einzelnen Teams limitiert ist, gilt: Je größer die Organisation, desto mehr Scrum-Teams gibt es.

In großen Organisationen können bis zu 15 Scrum-Teams vorkommen. Damit wächst die Gefahr, dass durch Entwicklungen eines Teams Storys der anderen Teams beeinflusst werden [6]. Um solche Behinderungen, Impediments genannt, aus dem Weg zu räumen, trifft sich je ein Mitglied, vorzugsweise der Scrum-Master, jedes Scrum-Teams zur Koordination im SoS (Scrum-of-Scrums). Dieses findet normalerweise nach dem Daily Scrum statt .

Unterstützung durch Definitionen und Tools

Es gibt viele unterstützende Faktoren. Beispielsweise stellt die „Definition of Done“ ein unverzichtbares, objektives Abnahmekriterium dar, um eine Story abzuschließen. Zudem wird das Scrum-Team durch diverse Software-Tools unterstützt.

Als De-facto-Standard haben sich die Produkte von Atlassian [7] durchgesetzt. Viele Kunden fordern sogar explizit den Einsatz von „Jira“ und „Confluence“ in ihren Projekten. Diese Tools decken fast alle Anforderungen für einen effektiven Einsatz von Scrum ab:

  • Dokumentation
  • Aufgaben- und Fehler-Management
  • Nachvollziehbarkeit (Burn-Down-Charts)
  • Planung und Verwaltung der Storys
  • QS-Unterstützung durch Workflows

Die Herausforderungen

Die Größe einer Organisation spielt eine entscheidende Rolle bei der Einführung von Scrum. So stellen gerade große Unternehmen Scrum vor Herausforderungen, welche bei kleinen, flexiblen Organisationen nicht auftreten. Da nicht nur die Software-Entwicklung auf Scrum umgestellt werden kann, muss sich vielmehr die Firmenkultur weitreichend ändern.

Agilität bedeutet ein Umdenken im gesamten Unternehmen, vom Programmierer bis zum Manager. Genau diese Veränderungen sind umso schwieriger, wenn sich tiefgreifende Prozesse etabliert haben oder Mitarbeiter sich nicht im Klaren sind, was diese Umstellung für sie bedeutet.

Planung von Not-Ready-for-Sprint-Storys

Lebt das gesamte Unternehmen aktiv Scrum, profitieren vor allem die Entwicklungsteams. Dies wiederum wirkt sich auf Wirtschaftlichkeit und Qualität aus. Konkret helfen vor allem detaillierte Story-Definitionen, vordefinierte Use Cases und Abnahmen nach festgelegten Akzeptanzkriterien.

Scrum ist kein Allheilmittel. Aufwände werden durch Scrum nicht weniger und Fehler können immer passieren. Scrum hilft vielmehr, Fehlentwicklungen früh zu erkennen und lässt Probleme schneller zu Tage treten. Eine Gefahr geht jedoch von den agilen Vorgehensmodellen aus, wenn sie falsch verstanden werden. Am häufigsten werden in der Praxis angetroffen:

  • Planung von Not-Ready-for-Sprint-Storys
  • Die Konzeption tritt in den Hintergrund auf Grund von Aussagen wie: „Details können wir ja besprechen, wenn die Story in der Umsetzung ist.“
  • Ständige Einflussnahme auf das Scrum-Team außerhalb der definierten Schnittstellen, zum Beispiel über den Product Owner während eines Sprints.

Lessons learned

Wird Scrum zu sehr modifiziert, entsteht Scrum-But („We have Scrum, but...“), welches Scrum-Elemente enthält, aber so verwässert ist, dass sich positive Aspekte des Modells nicht mehr entfalten können. Die Gefahr dieser Abwandlungen liegt darin, dass Unternehmen Prozesse und Verhaltensweisen nicht überdenken, sondern Scrum an das Unternehmen anpassen wollen.

Große Organisationen sollten bei der Einführung von Scrum Folgendes beachten:

Michael Huber ist Diplom-Medieninformatiker und Consultant.
Michael Huber ist Diplom-Medieninformatiker und Consultant.
(Bild: Huber)

  • Das wichtigste Ziel sollte sein, Scrum so nah wie möglich an der Theorie anzulehnen. Jede Änderung daran sollte gut überlegt sein. Gerade in der Anfangsphase muss ausreichend Zeit für die Planung, Sprint Review und Retrospektive eingeplant werden. Die Aufwände werden im Laufe der Zeit sinken.
  • Haben sich diese Treffen etabliert, ist das Scrum-Team in turbulenten Projektabschnitten bestens gerüstet.
  • Von allen Projektbeteiligten einsehbare Dokumentation schaffen Transparenz.
  • Feste Definitionen und Akzeptanzregeln müssen sein. (Unter welchen Umständen ist eine Story abgenommen?)
  • Die Mitarbeiter haben neue Rollen zu akzeptieren und zu leben.

* Michael Huber ist Diplom-Medieninformatiker und arbeitet als Berater bei der der Arithnea GmbH.

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