Barrieren senken – Coding leicht gemacht Mit Low-Code gegen IT-Fachkräftemangel
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IT-Angestellte sind rar, der Arbeitsmarkt hart umkämpft. Weil sich Unternehmen deshalb die Haare raufen, bringen Low-Code-Lösungen Fachfremde ins Spiel. Per Drag-and-Drop bauen sich die Mitarbeitenden ihre Lösungen selbst.

Smartphone verloren, in Papierform ein Neues beantragt, nach der Genehmigung über ein ausgedrucktes Formular das Gerät bestellt: So viel Zettelwirtschaft war für den globalen Technologiekonzern Freudenberg lange normal.
Eine langwierige und fehleranfällige Prozedur. Aber die IT-Abteilung kam einfach nicht dazu, den Prozess zu digitalisieren. Heute erhalten Mitarbeitende viel schneller ein neues Dienstgerät. Ein Klick des Vorgesetzen sorgt dafür, dass Kauf und Bestellung automatisch in Gang gesetzt werden.
Coding per Drag-and-Drop
Dahinter steckt die Low-Code-Lösung SAP Build – ein Tool, das auf der SAP Business Technology Platform (SAP BTP) basiert. SAP hat die neue Lösung kürzlich auf seiner Hausmesse TechEd in Las Vegas präsentiert. Solche Systeme ermöglichen es Mitarbeitenden, die keine Programmierprofis sind, dennoch dringend benötigte Apps und Web-Software zu entwickeln.
Weil hinter grafischen Komponenten wie Icons, Schaltflächen und Symbole komplexe Codezeilen sozusagen versteckt werden, sind weitreichende Coding-Kenntnisse nicht nötig. Über ein vorgefertigtes visuelles Tool- oder Code-Set können auch Fachkräfte anderer Unternehmensbereiche Prozesse automatisieren und optimieren. Die dafür notwendigen Bestandteile und Schnittstellen lassen sich auf einer grafischen Nutzeroberfläche per Drag-and-Drop miteinander verbinden.
Nicht auf Fachkräfte warten, sondern selbst ausbilden
Neben Anwendungen für mobile Endgeräte oder Webapplikationen lassen sich mit einer Low-Code-Lösung Verwaltungs- und Geschäftsprozesse automatisieren oder auch entsprechende Daten zentral aufbereiten und Arbeitsbereiche definieren. Aber nicht nur bei der Digitalisierung der Beschaffung finden Low-Code-Ansätze Zuspruch. Digitale Werkzeuge sind in vielen Geschäftsbereichen gefragt – so auch bei Controlling, HR und Marketing.
Aber wer nimmt sich der Entwicklung neuer Lösungen an? In vielen Unternehmen fehlt das dafür notwendige IT-Personal. Und wenn Expertinnen und Experten vorhanden sind, sind diese oft mit Kundenprojekten stark ausgelastet. Bereits vor der Pandemie wiesen einige unserer Kunden auf einen IT-Rückstau von bis zu zwei Jahren hin. Seitdem hat sich die Situation weiter verschärft. Laut Bitkom bleiben in Deutschland derzeit 137.000 IT-Stellen unbesetzt.
Angesichts dieses immensen Fachkräftemangels geht es nicht mehr darum, wie die Technologie zu den Usern kommt, sondern wie diese selbst eigene Innovationen anstoßen können. Mit Low-Code-Entwicklungslösungen stehen nun Werkzeuge zur Verfügung, mit denen die HR-Abteilung eine ersehnte Prozessoptimierung aus eigener Kraft umsetzen kann – ohne die Ressourcen der IT-Abteilung anzuzapfen.
Mit diesem sogenannten Citizen-Developer-Konzept können Firmen zusätzliche Fachkräfte in ihre digitale Transformation einzubinden. Der Schlüssel, um Technologie unmittelbar mit den Bedürfnissen der Nutzenden zusammenzubringen, heißt also immer öfter visuelles Coding. In Deutschland setzen laut Bitkom inzwischen 34 Prozent der Unternehmen auf Low-Code-Ansätze – vor allem dann, wenn es um die Automatisierung ihrer Geschäfts- und Verwaltungsprozesse geht. Gartner prognostiziert, bis 2025 werden Unternehmen rund 70 Prozent aller neuen Anwendungen auf einer Low-Code-Basis entwickeln.
Unternehmen agiler machen
Warum kommt das Konzept so gut an? Unternehmen profitieren davon, dass nun auch Fachangestellte im Bereich Controlling, HR, Marketing oder Beschaffung gezielt Lösungen wie mobile Apps oder Bots entwickeln können. So helfen Low-Code-Ansätze nicht nur dabei, den Personalmangel in den IT-Abteilungen zu lindern, sie statten auch IT-fremde Angestellte mit mehr Durchsetzungskraft aus. Ein Prozess, der auch die Qualität der Software erhöhen kann. Die Geschäftsbereiche wissen schließlich am besten, welche digitalen Werkzeuge sie im Alltag benötigen.
Zum anderen senkt Low-Code die Barrieren für IT-Tätigkeiten. Das neue Codiergefühl kann sowohl frisch eingebundene Laien als auch künftige Nachwuchstalente neugierig machen auf mehr. Der Entwicklungsberuf gewinnt an Relevanz und Attraktivität, weil immer mehr Menschen mit ihm in Berührung kommen. Und genau das kann sich auch positiv auf die nächste Generation an potenziellen IT-Fachkräften auswirken. Besonders wenn sie realisiert, dass Programmieren – in welcher Form auch immer –Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu befähigt, eigenständig Lösungen zu entwickeln, sei es in der Beschaffung oder gar für mehr Klimaschutz.
Außerdem können Unternehmen mit Low-Code-Lösungen erhebliche Development-Kosten einsparen und agiler handeln: Die Geschäftseinheiten müssen nicht auf einen verfügbaren Zeitrahmen ihrer IT-Abteilung warten, sondern können die Anwendungen aus einem Set an Vorlagen selbst anpassen, um rasch auf Marktveränderungen zu reagieren.
Ohne Übung geht es dennoch nicht
Wer noch nie in die professionelle Programmierwelt abgetaucht ist, braucht vermutlich auch bei der Entwicklung mit Low-Code-Lösungen zunächst Hilfe und eine gewisse Einarbeitung. An dieser Stelle können Communities, Kursangebote in Form von Tutorials und Videos sowie Zertifizierungen helfen, Kompetenzen als sogenannte Citizen Developer aufzubauen.
Stellen Unternehmen ihren Beschäftigten solche technischen Handreichungen im Bereich Low-Code bereit, können sich diese gezielt weiterbilden. Das spart auch Zeit: Schon zwölf Stunden Online-Weiterbildung vermitteln den zu Schulenden grundlegendes Know-how. Zudem können entsprechende Angebote Interessierte, die bisher noch keinen Kontakt zu visuellem Codieren hatten, ermutigen, sich ebenfalls der App-Entwicklung zu widmen.
Braucht IT bald keine Profis mehr?
Machen die sogenannten Citizen Developer mittelfristig IT-Profis überflüssig? Keineswegs. Low-Code-Anwendungen verschaffen IT-Fachkräften Freiräume, um sich stärker den eigentlichen Kernthemen und -prozessen des Unternehmens zu widmen. Sie gewinnen Zeit, um sich auf strategische Projekte zu konzentrieren, warten die Kernsysteme oder sorgen vor allem dafür, dass in Unternehmen im Hinblick auf Prozesse die Data Governance und IT-Sicherheit gewährleistet sind.
Oft arbeiten Citizen Developer der Fachbereiche und professionelle Entwicklungsteams eng zusammen. Und immer häufiger nutzen Programmier-Profis die Low-Code-Tools auch selbst: etwa mit Blick auf Sicherheitsfunktionen (Single-Sign-On), außergewöhnliche API-Aufrufe oder Responsezeiten bei Fertigungsschnittstellen. Es wird also immer ausreichend Aufgaben geben, die profundes Wissen in der Programmierung verlangen.
Gerade der Blick in die Zukunft zeigt auf: Wenn bald künstliche Intelligenz Software mitentwickelt, können Unternehmen auf ihre IT-Teams nicht verzichten. Schließlich braucht es Menschen, die der KI „über die Schulter blicken“ und Codes benutzerfreundlich und ethisch verantwortungsvoll schreiben. Nicht ohne Grund hat sich SAP also gerade erst auf der TechEd verpflichtet, bis 2025 weltweit zwei Millionen Entwickler weiterzubilden. Zu diesem Zweck haben wir unser Schulungsangebot auf der SAP-Learning-Plattform verdreifacht.
* Sebastian Schrötel ist Vice President und Head of Low Code/No Code Products bei SAP SE.
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