Interview mit Christof Langer, CEO der Allisa Software GmbH „Man kann nicht mehr fünf Jahre lang Software planen“

Von Stephan Augsten

Low-Code- und No-Code-Plattformen versprechen die Entwicklung fertiger, anwenderorientierter WebApps in kurzer Zeit. Aber ist schnell auch schnell genug? Und wo gibt es Verbesserungspotenzial? Dev-Insider hat sich mit Christof Langer, CEO der Allisa Software GmbH, darüber unterhalten.

Anbieter zum Thema

Dipl.-Ing. Christof Langer: „Irgendwann macht man sich über einen generischen Ansatz Gedanken, um nicht alles immer neu machen zu müssen.“
Dipl.-Ing. Christof Langer: „Irgendwann macht man sich über einen generischen Ansatz Gedanken, um nicht alles immer neu machen zu müssen.“
(Bild: Allisa Software GmbH)

Dev-Insider: Hallo Herr Langer, Sie haben mit der Allisa-Plattform eine Lösung, die wie „klassische“ Low-Code-Lösungen schnelle Ergebnisse verspricht. Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht, immerhin haben Sie ja Zeit und Muße investiert. Wie viel Arbeit steckt bereits in Ihrer Plattform und was war die Idee dahinter?

Christof Langer: Allisa steht für „All is action“, eine eingetragene Marke, die international patentierte Technologie dahinter heißt SONAL. Wir sind zwar im Bereich Low-Code, No-Code und Digitalisierungsplattformen unterwegs, haben aber auch ein paar Alleinstellungsmerkmale, die uns klar davon abgrenzen.

Wir digitalisieren Geschäftsprozesse, Fertigungsprozesse , Betriebsabläufe, Entscheidungsmanagement – am Ende geht es ja immer darum, dass Unternehmen über Fachabteilungen hinweg und unternehmensübergreifend die Zusammenarbeit organisieren müssen. Dabei verfolgen wir aber einen anderen Ansatz als Projektmanagement-Plattformen, denn wir bauen mit Allisa vollständige Business-Plattformen und auch Fachanwendungen bis hin zum I4.0-, sprich Industrie-4.0-Umfeld.

2008 habe ich mit dem ganzen Thema angefangen, seinerzeit haben wir – im Förderprogramm „Beratungsprogramm Wirtschaft NRW“ – mit dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung, Energie des Landes Nordrhein-Westfalen den ersten Kunden live geschaltet. Aus diesem Ganzen haben wir Projekt-getrieben – aber trotzdem strategisch – eine Plattform entwickelt, die jetzt mittlerweile knapp 60.000 Entwicklungsstunden hinter sich hat, um Software mit viel, viel weniger Aufwand entwickeln zu können.

Dev-Insider: Wie ist denn die Idee entstanden – oder mit dem Blick aufs erste Projekt gefragt: Wer kam denn auf wen zu?

Christof Langer: Da muss ich dann zur Historie doch noch eine Minute ausholen: Also ich bin Luft- und Raumfahrttechnik-Ingenieur, habe an der Bundeswehruniversität München studiert und dort die Vertiefungsrichtung Ingenieur- und Planungstechnik (IPT) gewählt, was mit Informationsprozessen in produktiven Umgebungen in der fertigenden Industrie einhergeht.

Damals habe ich mich mit Fuzzy Logic beschäftigt, schließlich gehört Entscheidungsmanagement auch zu Prozessen dazu. Meine Studienarbeit „Kaufmännische Entscheidungen auf Fuzzy-Logic-Basis“ habe ich dann aber schnell gestoppt, weil ich gemerkt habe, dass man das gar nicht in eine Bachelorarbeit reinpacken kann. Noch während Mitte der Neunziger die ersten Fuzzy-Logic-Systeme aufkamen, habe ich mir überlegt, wie ich beides, Prozesse und Entscheidungen – also das Decision Management –, generisch in irgendeiner Form einheitlich methodisch abbilden kann.

Im Jahr 2000 habe ich mich dann selbstständig gemacht und bin aus verschiedenen Projekten heraus in die Softwareentwicklung gegangen, weil ich nie zufrieden war mit den Lösungen, die es am Markt gab. So habe ich von Frontend und Backend über das Datenbankdesign bis hin zur Webserver-Administration alles mal gemacht und mir so das Know-How als „Quasi-Full-Stack-Entwickler“ angeeignet.

Dann kam es, dass ich mit meiner Frau zusammen ein Business gegründet habe, die selbst aus der IT in der Öffentlichen Verwaltung kam und IT-Service-Providerdienste aufgebaut hat. So konnte sie die ersten Kunden wie die Handwerkskammer Braunschweig Lüneburg Stade ans Land ziehen und ich habe im Prinzip im stillen Kämmerlein die ersten Software-Lösungen entwickelt. Nun war meine Frau im Handwerkskammer-Umfeld gut vernetzt – aber es gibt 53 Handwerkskammern mit einem jeweils kleinen Budget und jede will eine komplette umfassende Lösung haben.

Irgendwann macht man sich dann über einen generischen Ansatz Gedanken, um nicht alles immer neu machen zu müssen, sondern bestimmte Logiken und Bausteine dauerhaft wiederverwenden zu können.

Um super agil zu werden, müssten wir im Stundentakt weiterkommen.

Dev-Insider: Was machen Sie, was macht Allisa nun anders als die Mitbewerber?

Christof Langer: Nun sind wir nicht unbedingt im Low-Code-Bereich angesiedelt, denn dort entsteht ja auch wieder Code, aber wir schwimmen mit Allisa auf der Welle irgendwie mit. Alle mir bekannten Low-Code-Plattformen sind im Prinzip Plattformen, wo immer noch Quellcode erzeugt wird, der für die Einzelinstallation geändert und anschließend nutzbar gemacht wird.

Im Unterschied dazu produziert Allisa generischen Code. Das bedeutet, wir können unsere Kunden völlig branchenunabhängig mit einer einzigen Softwarelösung bedienen. Wir machen also keine Branches auf und pflegen auch keinen individuellen Quellcode für den Kunden – denn wenn man dann Änderungen einspielen müsste, sollte man schon genau aufpassen, wo man das tut.

Vielmehr lässt sich unser System – wie gesagt, immer der gleiche stetig weiterentwickelte Quellcode – auf Knopfdruck vollautomatisch installieren, so dass der Kunde unmittelbar damit anfangen kann, individuelle Software durch reine Konfigurationen zu erstellen. Letztlich ist es doch so, dass nichts, was im Pflichten- und Lastenheft steht, endgültig in Stein gemeißelt ist. Aber der Kunde hat durchaus im Kopf, was für eine Lösung er will und welche Prozesse diese abbilden muss.

Wir generieren deshalb durch reine Konfiguration die Lösung und können basierend darauf sogar vollautomatisiert ein Handbuch erzeugen. So war es mit unserer Lösung beispielsweise innerhalb von vier Stunden möglich, in einer Software die Prozesse für einen Fährkartenantrag abzubilden. Das war und ist ohne Programmierung nur möglich, weil wir direkt die bestehenden, generischen Funktionen nutzen können. Im Prinzip bauen wir Softwarelösungen ohne wirkliches technisches Know-how, sondern vielmehr, indem wir fachlichen und methodischen Hirnschmalz reinstecken.

In unserem Ansatz sind alle Aktivitäten, ob User-Interaktion, Datenverarbeitung oder Schnittstellenanbindung, sogenannte Aktionen – daher auch das Akronym „Allisa“ für „All is Action®“ – unser Mantra. Diese müssen ausgesteuert werden, was wir nicht auf Basis von Sequenzfolgen machen, sondern auf Grund von Regeln, den sogenannten Aktionsregeln. Diese bilden letztlich in Verbindung mit sogenannten Statusregeln die komplette Geschäftslogik, sprich Business-Logik ab – wobei das System auch eine Entscheidungsautomation und damit auch Künstliche Intelligenz bietet.

Die Aktionsregeln hängen wiederum an Parametern, die wir Status (im Plural) nennen; wir gehen also davon aus, dass die Prozesssituation das Entscheidende ist und nicht eine Sequenzfolge à la BPMN. Über Parameter, Prozessvariablen und anhängige Regeln können wir also bestimmen, wann welche Aktionen freigeschaltet werden. Und über das Ausführen der Aktionen, die wir Statusregeln nennen, transformiert sich der Prozess in neue Situationen, in neue Zustände.

Dev-Insider: Rapid Application Development ist nun kein neues Thema, die aus dieser Denke heraus entstandenen Low-Code- und No-Code-Plattformen setzen sich aber jetzt erst richtig durch. Warum kommt es jetzt erst zu diesem Boom?

Christof Langer: Das Problem, das wir alle haben und kennen, ist, angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels trotzdem immer schnellere Entwicklungszyklen und Go-Live-Zeiten einhalten zu müssen. Man kann nicht mehr fünf Jahre lang Software planen, programmieren lassen und dann nach weiteren fünf Jahren installieren. Früher ging das, SAP konnte das seinerzeit mit dem ERP-System noch machen.

Übrigens geht auch Low-Code nicht ohne Experten, denn ich muss zunächst ein Datenmodell bauen. Ich muss mir überlegen, wie ich für die Persistenz sorge, also die Daten, die ich dann speichere in dem Prozess und verwalte in irgendeiner Datenbank. Dementsprechend muss ich wissen, wie ich die Tabellen baue und in Relation bringe . Ich muss in den Tabellen die Felder definieren und so weiter, bevor ich eigentlich anfangen kann. All das erfordert schon ein gewisses Know-how, weil ich am Ende ja auch wieder an die Daten rankommen muss.

Heutzutage versuchen wir, schneller zu werden, aber auch das gelingt nur bedingt; denn trotz agiler Prinzipien hängt am Sprint auch immer noch die klassische Software-Entwicklung. Man macht ein Release-Planning, muss dann den Blick darauf haben bis der Scrum Master das irgendwie moderiert, und am Ende hat man auf klassische Art und Weise ein Deployment, sagen wir am Freitag. Ein Sprint pro Woche ist dabei allerdings schön gedacht, oftmals dauern Sprints in der Praxis meistens zwei bis drei Wochen – und das nennt sich dann Sprint?

Seien wir ehrlich: Um super agil zu werden, müssten wir im Prinzip – ich sage mal – im Stundentakt irgendwie weiterkommen. Das ist unser Anspruch mit Allisa und das ist es, was wir machen.

(ID:48019643)