Kryptowährung zwischen Privatsphäre und Regulierung Libra erschüttert Finanzwelt
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Die von Facebook vorangetriebene Währung Libra sorgt aktuell für ausgiebige Diskussionen. Nach Banken, Aufsichtsbehörden und Kryptoexperten hat sich nun auch US-Präsident Donald Trump zu Wort gemeldet – mit einem Tweet pro Regulierung und US-Dollar.

Um die Welt zu erschüttern genügt manchmal schon ein Whitepaper – wie jenes, das die Macher der von Facebook angekündigten, digitalen Währung Libra kürzlich veröffentlicht haben. Mit seiner finanzpolitischen Sprengkraft trifft das Projekt aktuell auf Skepsis und Widerstand.
Der technische Ansatz hinter Libra
Laut offiziellem Libra-Whitepaper handelt es sich bei Libra um einen „Ansatz für eine neue dezentrale Blockchain, eine Kryptowährung mit hoher Preisstabilität, sowie eine Plattform für Smart Contracts“. Damit vereint das Vorhaben die besten Komponenten bestehender Kryptoprojekte und verbessert diese noch ein wenig, glaubt Bitcoin- und Blockchain-Experte Andreas Antonopoulos.
Die eigens entwickelte Libra-Blockchain nutzt ein „LibraBFT“ genanntes Konsensprotokoll, das effizienter und leistungfähiger arbeitet als Proof-of-Work-Mechanismen. Die Plattform soll auf Milliarden von Konten skalieren und beinhaltet mit Move eine neue Programmiersprache für die Implementierung individueller Transaktionslogik und so genannter Smart Contracts.
Start für 2020 geplant
Starten wird Libra voraussichtlich im ersten Halbjahr 2020 und den weltweiten Geldtransfer deutlich einfacher und günstiger als bisher gestalten. Dabei sollen auch große Teile der Weltbevölkerung erstmals überhaupt Zugang zum Finanzsystem erhalten – das Libra-Whitepaper geht von 1,7 Milliarden erwachsenen Menschen aus, die bislang nicht auf ein eigenes Bankkonto zugreifen können. Als Zielgruppe betrachtet Facebook auch Kleinunternehmen in Entwicklungsländern, die keinen Zugang zu Krediten hätten. Zudem werden explizit auch Migranten genannt, die jährlich Millionen an Dollar in Überweisungsgebühren verlören.
Auf Libra basierende Finanzdienstleistungen will Facebook über die eigens gegründete Tochtergesellschaft Calibra anbieten. Dank dieser Konstruktion solle eine Trennung zwischen sozialen und finanziellen Daten gewährleistet bleiben. Erstes Produkt werde eine digitale Geldbörse für Libra sein (Wallet); diese solle als eigene App sowie Bestandteil von Facebook Messenger und WhatsApp bereitgestellt werden.
Wert und Ökosystem
Libra ist als relativ wertstabiler Coin ausgelegt und soll mit einem Korb aus Bankguthaben und kurzfristigen Staatsanleihen gedeckt werden. Wenngleich die Währung bereits scherzhaft als „Zuckbuck“ bezeichnet wird, stehen hinter dem Projekt nicht nur Facebook und dessen Vorstandsvorsitzender Mark Zuckerberg.
Gesteuert wird das Netzwerk vielmehr von der nicht gewinnorientierten, unabhängigen und gemeinnützigen Libra Association mit Hauptsitz in der Schweiz. Deren Ratsmitglieder sollen die Validator-Nodes der zunächst genehmigungspflichtigen Libra-Blockchain betreiben. Geplant ist, das Libra-Netzwerk innerhalb der kommenden fünf Jahre zu einem genehmigungsfreien Netzwerk zu überführen.
Zu den 30 Gründungsmitgliedern der Libra Association zählen auch klassische Zahlungsdienstleister, wie Mastercard, Visa oder PayPal. Bis 2020 solle die Organisation auf 100 Mitglieder anwachsen; Facebook wird 2019 allerdings noch eine Führungsrolle in der Libra Association innehalten.
Für jede neu geschaffene Libra wird ein aus Bankguthaben und kurzfristigen Staatsanleihen bestehender Korb als Sicherung verwendet, um Vertrauen gegenüber des intrinsischen Wertes aufzubauen. Das Ziel bei der Verwaltung der Libra-Reserve bestehe darin, Libras Wert langfristig aufrechtzuerhalten.
Privatsphäre und Compliance
Laut Whitepaper sind in der Libra Blockchain einerseits Pseudonyme vorgesehen. Zudem wolle die Libra Association „fortlaufend neue Techniken prüfen, die die Privatsphäre
innerhalb der Blockchain verbessern und dabei praktikabel, skalierbar und verwaltungstechnisch machbar sind.“
Andererseits will sich Libra offenbar von Projekten abheben, die „das bestehende System [...] zerstören und Vorschriften [...] umgehen, anstatt Innovationen in den Bereichen Compliance und Aufsicht zu schaffen, um die Effektivität der Maßnahmen gegen Geldwäsche zu erhöhen.“ Als dem entsprechend zentral betrachte man „die Zusammenarbeit mit dem Finanzsektor, Aufsichtsbehörden und Experten aus verschiedenen Branchen“.
Schließlich verfolgt Libra als Ziel auch die „Entwicklung und Förderung eines offenen Identitätsstandards.“ Man glaube, ein dezentraler und portabler digitaler Identitätsnachweis sei Voraussetzung für finanzielle Inklusion und für den Wettbewerb.
Kritik von Kryptowelt, Gefahr für Geldpolitik
Die von Facebook initiierte Währung Libra wird aktuell viel und branchenübergreifend diskutiert. So zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Felix Hufeld wie folgt: „Wir können ganz sicher nicht einfach zugucken. Wir werden in irgendeiner Form angemessen reagieren müssen“.
Der Bundesverband deutscher Banken hat mit einem eigenen Whitepaper zu Wort gemeldet, das die Vor- und Nachteile des Projekts gegenüberstellt.
Darin weist der Bundesverband auf Facebooks zweifelhafte Geschichte in Sachen Datenschutz hin und bezweifelt, dass es für das von Libra beschriebene Szenario überhaupt einer Blockchain bedarf. Zudem macht das Positionspapier deutlich, wie die Libra Foundation Einnahmen generieren wird: Über die Zinsen der für die Libra Reserve gehaltenen Wertpapiere.
Weiter heißt es, dass über Libra vergebene Kredite das Bankgeschäft in seiner bisherigen Form mittelfristig stark beeinträchtigen könnte. Als private globale Währungsunion habe die Währung zudem das Zeug, die Souveränität einzelner nationaler oder der europäischen Geldpolitik zu untergraben.
Dies bestätigt auch der zuvor schon erwähnte Andreas Antonopolous – der begeistert sich zwar vom technischen Ansatz, fürchtet jedoch die Auswirkungen auf Freiheit und Privatsphäre von Indididuuen – entsprechende Gängelungen könnten jederzeit mit neuen AGBs durchgedrückt werden.
Mit dem Vorstoß des Silicon Valley erkennt der Kryptoexperte zudem weitere Konkurrenz für staatliche Währungen. Die würden nun nicht mehr nur von frei öffentlich zugänglichen Kryptowährungen wie Bitcoin bedrängt, sondern auch von Plattformen in Unternehmenshand.
Die Gefahr eines komplett neuartigen, weltweiten Finanzsystems ist auch dem US Repräsentantenhaus bewusst. So machten Anfang Juli mehrere Vertreter der Demokratischen Partei ernsthafte Bedenken bezüglich Privatsphäre und nationaler Sicherheit geltend. In einem Schreiben (PDF) fordern die Politiker von Facebook und seinen Partnern einen vorläufigen Implementierungsstopp von Libra. Während des Moratoriums wolle man in öffentlichen Anhörungen die Vorzüge und Risiken der Kryptowährung ergründen.
Der amtierende US-Präsident griff Kryptowährungen im allgemeinen und Libra im speziellen einige Tage später auf Twitter an. Dabei kritisierte Donald Trump „Unregulated Crypto Assets an“ und sprach Libra bereits Bedeutung und Zuverlässigkeit ab. Die einzig wahre sowie weltbeherrschende Währung sei und bleibe der US-Dollar.
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