Software-Modernisierung, Teil 1 Legacy-Software erkennen
Über viele Jahre gewachsen, kann sich Altsoftware trotz reibungsloser Funktion nach und nach zum Problem entwickeln. Doch wie lässt sich erkennen, ob Legacy-Systeme überarbeitet werden müssen?

Im Netz kursieren regelmäßig Geschichten über Kfz-Werkstätten und Campingplätze, die noch einen C64 oder einen Atari ST für essenzielle IT-Funktionen verwenden, fast 40 Jahre nach deren erstmaligem Erscheinen. Das sind natürlich krasse Beispiele für Legacy-Software im Unternehmensumfeld, allerdings in einem sehr kleinen Bereich. Während es bei kleinen Unternehmen nämlich kaum ein Problem darstellen dürfte, einen aktuellen PC oder Mac in Betrieb zu nehmen und mit einer Buchungs- und Office-Software auszustatten, haben große Unternehmen mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Hohe Kosten verhindern Modernisierung
Speziell entwickelte Altsoftware ist in großen Unternehmen oft seit Dekaden im Betrieb, über die Jahre immer wieder um moderne Funktionen und Schnittstellen ergänzt, nicht selten von Einzelentwicklern längst verschwundener Firmen auf den gewünschten Stand gebracht. Das führt dazu, dass organisch gewachsene Legacy-Software nicht selten außerordentlich schlecht dokumentiert ist.
Zwar dürfte der ein oder andere Verantwortliche „Läuft doch“ denken und die Kosten für die Neuentwicklung samt Implementierung vor sich herschieben. Doch der Fortschritt bei Hard- und Software sowie der Art und Weise, wie Software genutzt wird, sorgen nach und nach dafür, dass die Legacy-Produkte sich zu einem Problem entwickelt.
Wann eine Legacy-Software zum Problem wird
Das Flickwerk von alten und aktuellen Funktionen und Schnittstellen wartet förmlich nur darauf, dem Unternehmen Grenzen zu setzen. Doch schon bevor es zu den ersten Problemen dieser Art kommt, können ganz praktische Überlegungen dafür sprechen, eine Legacy-Software auszumustern und durch ein moderneres System zu ersetzen – etwa dann, wenn die Software durch ihr pures Vorhandensein laufend Sekundärkosten produziert, die als laufender Posten seit Jahren vorhanden sind und daher kaum auffallen. Das können zum Beispiel banale Dinge wie Energie- und Ersatzteilkosten sein, wenn die Altsoftware an bestimmte (alte) Hardware gebunden ist.
Legacy-Software produziert versteckte Personalkosten
Ein altes und ineffizientes System produziert aber vor allem versteckte Personalkosten: Nach modernen Gesichtspunkten hoher Zeitaufwand für den Systemstart, unnötig lange Rechen und Abfragezeiten, häufige Abstürze, hoher Einarbeitungsaufwand oder komplexe Administration und Fehlersuche können hohe Personalkosten verursachen, ohne dass diese auffallen.
Schließlich ist der Aufwand, wie das System selbst, langsam mit den Jahren gewachsen. Gerade in großen Unternehmen kann sich aber bereits lohnen, wenn Mitarbeiter weniger Zeit mit der Software an sich verbringen. Deshalb sollte zum Beginn der Überlegung einer Softwaremodernisierung zunächst eine Analyse des Einsparpotentials vorausgehen.
Moderne Standards und Schnittstellen fehlen oft
Ebenfalls eine gute Möglichkeit, um Software als Altsoftware oder sogar Altlast zu identifizieren, ist natürlich die Frage nach Schnittstellen und Standards der Bedienung und Nutzung. Anwender sind heute gewohnt, Arbeit mobil oder im Home-Office zu erledigen. Ist die Software dazu nicht oder nur mit massiven Stützrädern in der Lage, ist es natürlich sinnvoll, über modernere Alternativen nachzudenken.
Das gleiche gilt zum Beispiel für völlig veraltete Bedienkonzepte, die einen hohen Lernaufwand mitbringen. Auch die fehlende Möglichkeit, die Software auf Mobilsystemen wie Smartphones und Tablets zu nutzen, kann je nach Anwendung störend sein, egal ob für Mitarbeiter im täglichen Gebrauch oder für die Etablierung neuer Systeme im Unternehmen.
Funktionale Einschränkungen und obsolete Technik
Wirklich heikel wird es, wenn das vorhandene Legacy-System anfängt, echte Schwierigkeiten zu machen. Gerade bei Systemen, die an eine bestimmte Hard- oder Software geknüpft sind, kann das sehr plötzlich vorkommen. Neben Software-Problemen wie Sicherheitslücken durch mangelnde Wartung und Pflege oder mangelhafte Verknüpfung mit anderen Systemen im Unternehmen kann vor allem obsolete Technik ein echtes Problem darstellen.
In kleinen Unternehmen kann alte, noch genutzte Massentechnologie wie die oben genannten Vintage-Heimcomputer notfalls binnen weniger Tage durch einen Ebay-Kauf ersetzt werden. In größeren Unternehmen kann ein Ausfall spezialisierter und obsoleter Hardware deutlich größere Kreise ziehen und enorme Kosten – von erheblichen Hardware-Kosten über Mitarbeiter, die nicht arbeiten können bis hin zu einem endgültigen Ausfall des Systems – nach sich ziehen.
Alle Aspekte der Kostenfrage bei der Software-Modernisierung beachten
Unter dem Strich ist die Verwendung einer organisch gewachsenen Legacy-Software im Unternehmen nicht grundsätzlich ein Problem: Es gibt vor allem kostenseitig, aber auch im Hinblick auf den Mitarbeiter-Aufwand gute Gründe, bewährte Systeme beizubehalten. Immer vorausgesetzt, dass diese reibungslos und schnell arbeiten, sich leicht nachrüsten lassen und die Beschaffung von Hardware-Komponenten kein Problem darstellt.
Problematisch wird Legacy-Software immer dann, wenn sie technisch an eine Grenze gerät, regelmäßig die Entwicklung der Unternehmens-IT behindert oder gar der Totalausfall durch Sicherheitslücken oder Hardwaredefekte droht. Eine Modernisierung ist in solche Fällen unabwendbar.
Betriebswirtschaftlicher Ansatz kann für Modernisierung sprechen
Ein weniger hartes Kriterium ist hingegen die Frage nach den Personalkosten eines vorhandenen und hinreichend funktionierenden und erweiterbaren Legacy-Systems. Hier kann ein einfacher betriebswirtschaftlicher Ansatz gewählt werden: Wie hoch ist der Personalaufwand durch Wartezeiten oder möglicherweise komplexe Bedienung? Wie viel Lernaufwand ist bei neuen Mitarbeitern notwendig? Gibt es möglicherweise (vermeidbare) Mitarbeiterstellen, die allein durch die Software verursacht werden?
In diesen Fällen sollte eine Analyse des Kostenaufwands der Altsoftware erfolgen und gegen eine Modernisierung gerechnet werden, bei der auch Mittel- und langfristige Kosten in Betracht gezogen werden sollten.
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