Azubi, Student oder Duales Studium Ist die Anwendungsentwickler-Ausbildung noch zeitgemäß?

Autor / Redakteur: Christian Rentrop / Stephan Augsten

Der Fachinformatiker der Anwendungsentwicklung gehört seit 20 Jahren fest zu den IHK-geprüften Ausbildungsberufen. Ob diese Berufswahl in Zeiten der Web-Milliardäre ohne spezifische Ausbildung überhaupt noch aktuell ist, fragt sich aber sicher der eine oder andere junge Mensch.

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Als Fachinformatiker der Anwendungsentwicklung lernt man neben den theoretischen Grundlagen auch betriebliche Abläufe kennen.
Als Fachinformatiker der Anwendungsentwicklung lernt man neben den theoretischen Grundlagen auch betriebliche Abläufe kennen.
(Bild: StartupStockPhotos.com / CC0 )

Es stimmt schon: Die Berufsbezeichnung „Fachinformatiker (Anwendungsentwicklung)“ klingt sperrig und altbacken. Sie klingt nach blassen Nerds in staubigen, dunklen Serverräumen, nicht nach Weltveränderung unter der Sonne Kaliforniens.

Kein Wunder also, dass Jugendliche, die sich über die Ausbildung zum Anwendungsentwickler informieren, allein vom Namen des 1997 eingeführten dreijährigen Ausbildungsweges abgeschreckt fühlen und sich fragen, ob diese Ausbildung überhaupt noch aktuell ist. Stattdessen ziehen sie Alternativen in Betracht, etwa ein Informatik-Studium oder – bei entsprechendem Talent – den ausbildungsfreien Weg direkt von der Schule in den Weltkonzern, was aber den wenigsten vergönnt sein dürfte.

Fachinformatiker-Ausbildung oder Informatik-Studium?

Die wohl wichtigste Entscheidung, die junge Leute treffen müssen, ist die Wahl zwischen Studium der Informatik und eben der klassischen Anwendungsentwickler-Ausbildung. Da beide im Bereich der Informations- und Telekommunikationsbranche angesiedelt sind, bieten beide später ähnliche Beschäftigungsmöglichkeiten.

Es gibt allerdings zum Teil auch weitreichende Unterschiede: Da ist zum einen die Voraussetzung, die ein Interessent erfüllen muss: Während eine Ausbildung zum Fachinformatiker bzw. Anwendungsentwickler bereits mit mittlerer Reife eingeschlagen werden kann, setzt ein Studium der Informatik mindestens Fachhochschulreife voraus.

Wer auf gute Gehälter spekuliert, muss beim Studium noch einmal unterscheiden: Fachhochschul- und Universitätsabschluss sind etwa bei späterer Beschäftigung im öffentlichen Dienst mit verschiedenen Entgeltklassen verbunden. Die Fachinformatiker-Ausbildung kann bei Absolventen mit mittlerer Reife zudem die Grundlage bilden, um Fachhochschulreife zu erlangen – und damit nach der Ausbildung noch einen Bachelor oder sogar Master in angewandter Informatik zu erlangen.

Die Ausbildung ist praxisnah

So weit die Theorie. In der Praxis gibt es jedoch zum Teil deutliche Unterschiede zwischen Studium und Ausbildung. Das Studium ist in vielerlei Hinsicht je nach Hochschule sehr theoretisch geprägt und damit nicht unbedingt für pragmatische Zeitgenossen geeignet.

Duale Studiengänge fangen das ab: Hier wird das Studium mit einer Ausbildung in einem Betrieb verbunden. Laut Branchenverband Bitkom wollen Unternehmen künftig vermehrt auf diese Lösung setzen, reine Informatik-Theoretiker von FH und Universität dürften es schwer haben.

Duale Ausbildung auf aktuellem Stand

Die hohe Abbrecherquote im Informatikstudium von rund 50 Prozent zeigt ebenfalls, dass eine Ausbildung durchaus Vorzüge für junge Menschen haben kann. Zumal die Ausbildung natürlich praxisnah in Betrieb und Berufsschule erfolgt. Gerade der betriebliche Anteil entscheidet hier über die tatsächliche Qualität der Ausbildung – hier sollten Azubis sehen, dass sie ein für sie passendes Unternehmen in einem Bereich auswählen, der für ihren späteren Werdegang relevant ist.

Die Chancen dafür sind derzeit überaus gut: Mit Beginn jeden Ausbildungsjahres steigt die Zahl der offenen Stellen. Inhaltlich ist die Ausbildung im dualen Studium auf dem aktuellen Stand. Neben klassischen informatischen Inhalten wie dem Erlernen von Programmiersprachen werden auch Inhalte der Systementwicklung sowie betriebswirtschaftliche Inhalte vermittelt.

Damit ist der Auszubildende nach Abschluss seiner Ausbildung für den Einsatzzweck in einem Unternehmen vorbereitet, kann vorhandene Systeme analysieren, warten, ergänzen oder neue Systeme planen. Dadurch wird der Fachinformatiker mit Schwerpunkt Anwendungsentwicklung als analysierender und durchführender Entwickler zu einem vielseitig einsetzbaren Experten.

Konkrete Bedeutung für Unternehmen

Für ausbildende ITK-Unternehmen bietet sich dadurch innerhalb des Ausbildungsrahmenplans die Möglichkeit, eigene Fachinformatiker „heranzuzüchten“, Experten für die eigene Software oder Infrastruktur zu produzieren und nach Abschluss der Ausbildung weiter in Beschäftigung zu halten. Gleichzeitig boomt die Informationsbranche.

Durch die fortschreitende Digitalisierung benötigen inzwischen auch Branchen Fachinformatiker, die zuvor nicht unbedingt etwas mit der IT-Branche zu schaffen hatten, wodurch inzwischen viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Bereichen Fachinformatiker anstellen und ausbilden.

Der aus Bewerbersicht gute Stellenmarkt ist aufgrund des Fachkräftemangels im ITK-Bereich für Unternehmen derzeit natürlich nicht optimal. Die Ausbildung bietet hier eine Chance, einen Profi frühzeitig anzuwerben und einzubinden.

Ist die Anwendungsentwickler-Ausbildung noch aktuell?

Unter dem Strich ist die Ausbildung zum „Fachinformatiker (Anwendungsentwicklung)“ also aktueller denn je: Auszubildende dieser Fachrichtung sind inzwischen vielerorts gefragt. Durch die Einbindung in das Unternehmen entsteht ein Synergieeffekt, der die Ausbildung auf dem aktuellen Stand hält – sofern das Unternehmen ebenfalls auf diese Weise arbeitet.

Die theoretischen Grundlagen laut IHK-Ausbildungsplan sind tendenziell allgemein gehalten und auf das große Ganze ausgerichtet. Die Schwerpunkte verschieben sich nicht so schnell wie es bei konkreten Inhalten – etwa speziellen Datenbank-Technologien, Betriebssystemen oder Mobilplattformen – der Fall ist. Ob diese umfassend und nachhaltig an den Auszubildenden weitergegeben werden, ist dabei vor allem Sache des auszubildenden Unternehmens.

Gegenüber der Einstellung von vorab unternehmensfremden Universitäts- und Fachhochschulabsolventen haben die Fachinformatiker dabei vor allem den Vorteil, sich umfassend im Unternehmen und den beteiligten Prozessen auszukennen. Die Ausbildung zum Anwendungsentwickler ist daher auch heute noch eine gute Alternative zur akademischen Bildung in diesem Bereich.

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