Interview mit Boris Gamazaychikov, Salesforce, zum Thema Green Coding Nachhaltigkeit in der Softwareentwicklung
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Wie lassen sich CO2-Emissionen durch effizienteren Code und moderne Technologien verringern? Im Interview spricht Boris Gamazaychikov, Senior Manager Emissions Reduction bei Salesforce, über das Green-Coding-Engagement des Unternehmens.

Dev-Insider: Herr Gamazaychikov, Salesforce hat sich zum nachhaltigen Programmieren, zum „Green Coding“ bekannt. Wie wirkt sich diese Entscheidung auf Ihre Strategie und Geschäftsmodelle aus? Und was macht Salesforce konkret, um diese Ziele zu erreichen?
Boris Gamazaychikov: 2021 haben wir unseren sogenannten Klimaaktionsplan vorgestellt, in dem wir uns das Ziel gesetzt haben, unsere CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent zu senken. Dabei haben wir uns daran orientiert, wie stark die globalen CO2-Emissionen reduziert werden müssen, um den Anstieg der Erderwärmung auf weniger als 1,5 °C zu begrenzen.
Unsere Rechenzentrumsinfrastruktur erzeugt mehr als die Hälfte der Emissionen in unserer Wertschöpfungskette, daher haben wir hier einen Schwerpunkt gesetzt. Normalerweise umfasst die Dekarbonisierung von Rechenzentren das, was ich nachgelagerte Optionen nenne: Rechenzentren effizienter zu gestalten und sie mit sauberer Energie zu betreiben. Zusätzlich wollen wir jedoch auch die umfangreichen, „vorgelagerten“ Möglichkeiten nutzen: den Code für unsere Softwareanwendungen effizienter zu gestalten, bevor er überhaupt die Rechenzentren erreicht. An der Stelle setzt unsere Green Code Initiative an.
Im Mai haben wir einen Leitfaden mit Best Practices zu Nachhaltigkeit veröffentlicht, der Technologie-Fachleuten – aus dem UX-Design, der Softwareentwicklung, der Systemarchitektur und der Leitungsebene von IT-Abteilungen – dabei helfen soll, das Ziel der Klimaneutralität zu unterstützen. Der Leitfaden hat sowohl intern als auch extern das Bewusstsein für Green Coding gestärkt und eine neue Dynamik ausgelöst.
Das war aber nur der Anfang. Wir werden noch weitere Tools und Ressourcen verfügbar machen, mit denen Salesforce-Kunden die Hauptverursacher ihrer CO2-Emissionen identifizieren und deren Reduktion vorantreiben können – darunter ein Developer Carbon Dashboard. Außerdem wird es noch eine Reihe von generativer KI gestützte Innovationen geben, auf die ich mich sehr freue.
Nachhaltigkeit ist bereits seit längerem einer der Grundwerte von Salesforce. Insofern ist diese Strategie eine Fortsetzung und Vertiefung unserer bisherigen Arbeit. Unser Chief Engineering Officer Srinivas Tallapragada sagt: „Das große Vertrauen unserer Kunden und unser Innovationsstreben führen ganz automatisch dazu, dass wir jede Chance zur Nachhaltigkeit ergreifen. Letzten Endes ist nachhaltige Softwareentwicklung einfach gute Softwareentwicklung.”
Dev-Insider: Inwiefern waren Änderungen in der Firmenkultur notwendig, um Green Coding bei Salesforce zu implementieren – und was können andere Unternehmen davon lernen?
Gamazaychikov: Nachhaltigkeit ist bei Salesforce einer der wichtigsten Unternehmenswerte. Wir sind überzeugt, dass Unternehmen die beste Plattform für Veränderungen sind. Uns geht es nicht nur darum, Geschäftsziele zu erreichen, sondern auch darum, unsere Zeit und Ressourcen für das Gemeinwohl einzusetzen – das ist seit jeher Teil unserer DNA.
Wir sind uns jedoch bewusst, dass nicht alle Unternehmen so weit sind. Laut einer kürzlich von Salesforce durchgeführten Studie würden drei Viertel der befragten Programmiererinnen und Programmierer gerne Software entwickeln, die umweltfreundlicher ist – aber fast die Hälfte weiß nicht, wie.
Überdies sagten 76 Prozent der Befragten, dass ihre Führungskräfte nachhaltige Softwareentwicklung für nicht notwendig halten. Wir hoffen, dass unser Tun das Bewusstsein dafür schärft, was in diesem Bereich möglich ist und wir andere Unternehmen mit den Ressourcen, die wir ihnen bereitstellen, befähigen können, selbst aktiver zu werden.
Dev-Insider: Welche speziellen Tools und Technologien setzt Salesforce ein, um Energieeffizienz und andere Aspekte des Green Codings umzusetzen?
Gamazaychikov: Wir verwenden verschiedene Tools und Technologien für jeweils unterschiedliche Zwecke. Auf übergeordneter Ebene setzen wir die Net Zero Cloud ein, um Daten zu CO2-Emissionen aus verschiedenen Quellen zu aggregieren, Prognosen zu erstellen und Maßnahmen zur Emissionsreduktion zu planen. Die Net Zero Cloud lässt sich mit relevanten Daten aus Quellen wie dem Customer Carbon Footprint Tool von AWS und dem Carbon Footprint Dashboard von Google Cloud integrieren, so dass wir Trends erkennen und entsprechend handeln können.
Bei näherem Hinsehen haben wir festgestellt, dass wir Nachhaltigkeit in die Arbeitsabläufe unserer Entwickler und Entwicklerinnen aufnehmen müssen. Zunächst haben wir CO2-Daten in interne Tools integriert. So erkennen sie, welche Auswirkungen ihr Handeln auf das Klima hat. Wir werden diese Funktion im September im Developer Carbon Dashboard auch unseren Kunden zur Verfügung stellen. Darüber hinaus können wir mit Tableau CO2-Daten zusammen mit klassischen Metriken wie Kosten darstellen – was wiederum Bewusstsein und Handlungsbereitschaft steigert.
Generell begeistern mich persönlich die Möglichkeiten generativer KI, um Innovationen im Green Coding voranzutreiben. Das KI-Entwicklungsteam von Salesforce hat verschiedene Modelle entwickelt, die dafür zum Einsatz kommen können: Eine Studie ergab, dass das CodeGen-Modell von Salesforce die Code-Effizienz um das 2,5-fache steigern kann. Wir werden diese Modelle noch stärker in Salesforce Produkte integrieren, aber wer sie schon jetzt kennenlernen möchte, kann sie als Open-Source unter github.com/salesforce ausprobieren.
Dev-Insider: Fast ebenso wichtig wie die Development-Tools sind in der heutigen Zeit die Metriken. Welche Werkzeuge helfen dabei, die erzielten Erfolge zu messen?
Gamazaychikov: Um den Fortschritt zu verfolgen, hat Salesforce die Metrik Carbon to Serve entwickelt, die die Emissionen seiner Rechenzentren im Verhältnis zur Leistung seiner Anwendungen misst. Seitdem wir diese Kennzahl 2020 eingeführt haben, hat Salesforce eine Reduktion um 26 Prozent erreicht und wir wollen die Emissionen noch weiter senken. Dafür nutzen wir die genannten Tools.
Dev-Insider: Wie entscheiden Sie, welche Tools am besten geeignet sind – und entscheiden Sie selbst oder im Team?
Gamazaychikov: Wichtig ist es, dass sich die Werkzeuge in die bestehenden technischen Arbeitsabläufe einfügen. Da es sich um Neuerungen handelt, wollen wir die Reibungsverluste für die User so gering wie möglich halten. Idealerweise werden die Kohlenstoff-Emissionen zusammen mit den bestehenden Metriken (wie den Kosten) sichtbar gemacht. Dafür haben wir Carbon to Serve entwickelt.
Dev-Insider: Welche Erfolge hat das Emissions Reduction Project bereits erzielt, seit Sie dessen Leitung übernommen haben? Können Sie uns einige konkrete Beispiele nennen, wie Green Coding bei Salesforce zu messbaren Reduzierungen von CO2-Emissionen geführt hat?
Gamazaychikov: Die Verringerung unserer spezifischen Kohlenstoffdioxid-Emissionen war ein großer Erfolg – bis heute konnten wir sie um 26 Prozent senken. Unser Ziel ist, diese weiterhin um 20 Prozent pro Jahr zu senken.
Es gibt auch produktspezifische Initiativen, bei denen wir Erfolge verzeichnen. MuleSoft von Salesforce hat beispielsweise die jährlichen Ausgaben für seine Public-Cloud-Infrastruktur um 14 Prozent gesenkt. Dies gelang über die Identifizierung und Stilllegung von nicht ausgelasteten Systemen und die Migration von Speicher auf energieeffizientere Alternativen.
Es gibt jedoch noch viel zu tun: Obwohl wir unsere spezifischen Kohlenstoffdioxid-Emissionen gesenkt haben, sind unsere absoluten Emissionen seit dem letzten Jahr gestiegen. Da wir unsere gesamte Wertschöpfungskette in unsere Emissionen einbeziehen, sind unsere Fortschritte von anderen Akteuren weltweit abhängig (Scopes 1, 2 und 3). Wir engagieren uns über unser Unternehmen hinaus, über unsere Climate Policy Platform; wir verlangen von unseren Zulieferern und Dienstleistern, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen, und stellen gleichzeitig Tools und Methoden bereit, mit denen sie schnell handlungsfähig werden.
Dev-Insider: Green Coding ist ein sich schnell entwickelndes Feld. Wie bleibt Salesforce auf dem neuesten Stand und wie stellen Sie sicher, dass Ihre Developer immer über die neuesten Best Practices und Techniken informiert sind?
Gamazaychikov: Will man sich auf den Weg in eine nachhaltige Zukunft machen, muss Kooperation an die Stelle von Silo-Denken treten. Deshalb halte ich mich über die Aktivitäten verschiedener federführender Organisationen in diesem Bereich auf dem Laufenden und beteilige mich zum Teil auch an ihnen. Dazu zählen die Green Software Foundation, ClimateAction.tech und Climate Change AI. Diese Organisationen stellen ausgezeichnete Newsletter, Ressourcen, Kooperationsprojekte und kostenlose Weiterbildungsangebote bereit.
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