Abbau von Lieferketten-Barrieren Erobert die Blockchain jetzt auch den maritimen Sektor?
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Rund 90 Prozent des Welthandels wird auf dem Seeweg transportiert. Viele der damit verbundenen Prozesse sind immer noch sehr zeitaufwändig und dokumentenintensiv. Man glaubt es kaum, Papierdokumente sind nach wie vor weit verbreitet. Die Distributive-Ledger-Technologie trägt dazu bei, ineffiziente Geschäftsprozesse deutlich zu reduzieren.

Die Schifffahrtsbranche ist für die Menschheit eine uralte Branche, in der zum großen Teil noch per Telefon, Papier und E-Mail kommuniziert wird. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Frachtpapiere. Der klassische Weg dieser Frachtpapiere beginnt spätestens dann, wenn ein Verlader über seinen Spediteur Kapazitäten auf einem Schiff bucht, um seine Waren zum Empfänger zu senden.
Dafür müssen nach wie vor unzählige Dokumente ausgefüllt und genehmigt werden, bevor die Ladung überhaupt einen Hafen verlassen oder dort einlaufen darf. Gemäß der weltweit größten Containerschiff-Reederei Maersk gehört der für den Welthandel erforderliche Verwaltungsaufwand bzw. Dokumentationsprozess zu den größten Belastungen in der Logistik.
Katalysator der Digitalisierung
Mit einer Blockchain-Lösung könnten laut Maersk die Transitzeit einer Schiffslieferung um rund 40 Prozent reduziert als auch beträchtliche Kosten vermieden werden. Die Folge, so glauben Experten, wird Dimensionen annehmen, wie sie seit der Umstellung auf Standardcontainer in den 1960er-Jahren, die unter anderem Schiffsbelader und Reissäcke ersetzten, nicht mehr zu beobachten waren. Eine Automatisierung durch die Blockchain lässt eine Dokumentation aller Prozesse rund um die Verschiffung, die heute noch Tage in Anspruch nimmt, in wenigen Minuten erledigen.
Indem die Kosten für die weltweiten Transporte von Waren sinken, könnten auf diese Weise auch neue Impulse zur Verlagerung von Produktionsstätten gesetzt werden. Aus diesen Gründen kommt der Blockchain definitiv eine wichtige Rolle bei der Digitalisierung der globalen Schifffahrt zu. Mit rund 90 Prozent Marktanteil ist sie der größte Logistikbereich der Weltwirtschaft, in dem jedes Jahr viele Milliarden Euro an Gütern bewegt werden.
Mit der Einführung der Blockchain-Technologie wird insbesondere folgende grundsätzliche Veränderung geschaffen: Ein gesamtes, großes Ökosystem wird auf einen gemeinsamen Ansatz zusammengeführt, indem alle Teilnehmer gleichermaßen von einem offenen und neutralen System profitieren.
Was leistet die Blockchain?
Die Schifffahrtsbranche besteht allerdings aus vielen älteren IT-Systemen, die kaum miteinander kompatibel sind. Dadurch hat man es mit riesigen Volumina an Datensilos zu tun, die die einzelnen Marktakteure isolieren. Dies führt von Natur aus zu einem Verlust an Wettbewerbsvorteilen für die KMU, da sie nicht in vollem Umfang am Markt teilnehmen können. Zudem sind ihre Prozesse - im Vergleich zu einem Blockchain-Netzwerk - umständlicher und teurer.
Eine Blockchain nutzt bereits vorhandene Technologien und kombiniert sie auf ihre Weise. Die etablierten Systeme würden daher nicht verschwinden. Die Technologie ist also keine innovative Lösung, die aktuelle Technologien bzw. Legacy-Systeme ersetzt. Es entsteht vielmehr eine Interoperabilität, die vorhandene Systeme sinnvolle einbindet. Daher kann die Blockchain in vielerlei Hinsicht eine gemeinsame Infrastruktur unter die aktuellen Legacy-Systeme bringen und damit Datensilos bezwingen.
Neben der Überwindung von Datensilos innerhalb der Lieferketten der Schifffahrtsbranche ist auch der Aspekt der Unkorrumpierbarkeit der Technologie hervorzuheben. Denn die Daten in der Blockchain können nicht gelöscht werden. Dies wird Auswirkungen auf die Branche haben, da mit der Blockchain die einzelnen Akteure innerhalb des Ökosystems zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie falsche Daten liefern.
Reederei-Projekte auf Basis der Blockchain
Die Container-Reederei Maersk hat mit dem IT-Dienstleister IBM eine offene und neutrale Supply-Chain-Plattform namens Tradelens aus der Taufe gehoben, die auf der Blockchain-Technologie basiert. Damit wird unter anderem die Verfolgung einer Ladung samt zugehörigen Dokumenten in Echtzeit möglich sein. Auf Grund deutlich sinkender Transportkosten soll dadurch eine stärkere Einbeziehung der Entwicklungsländer in den Welthandel erfolgen.
Neben den hohen Verwaltungskosten und Versandzeiten, die durch die Komplexität des herkömmlichen internationalen Handels verursacht werden, ist die maritime Lieferkette auch anfällig für Betrug, insbesondere in Schwellenländern, und anfällig für Hackerattacken. Korrupte Praktiken dieser Art sollen die Geschäftskosten um rund 10 Prozent erhöhen als auch ausländische Direktinvestitionen in solche Länder reduzieren.
Inspiriert von der Partnerschaft von Maersk und IBM suchen auch verschiedene andere etablierte Akteure der Schifffahrtsbranche und handelsbezogene Organisationen nach eigenen Blockchain-Lösungen. Zum Beispiel wurde in Südkorea ein von der Regierung unterstütztes Schifffahrts- und Logistikkonsortium auf den Weg gebracht, das sich auf die Entwicklung und Erprobung von Blockchain-Lösungen konzentriert. Ähnlich wie bei der IBM-Maersk-Lösung besteht das Ziel des Projekts darin, Daten sicher zwischen allen Teilnehmern auszutauschen und den enormen Verwaltungsaufwand zu mindern.
In Japan wurde ein ähnliches Konsortium gegründet. Es bietet eine Blockchain-Plattform für den Datenaustausch zwischen den japanischen Schifffahrtsriesen Mitsui OSK Lines, Nippon Yusen Kaisha und Kawasaki Kisen Kaisha. Weitere Initiativen sind beispielsweise in Singapur mit den Reedereien Pacific International Lines, dem Hafenbetreiber PSA International und IBM Singapore entstanden. Die Initiative wurde mit der Zielsetzung gegründet, um gemeinsam Blockchain-basierte Netzwerklösungen zu entwickeln, um Betrug und Dokumentationsfehler zu reduzieren.
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