Die Weiterentwicklung des Internet of Things, Teil 4 Die psychologische Perspektive im IoB

Von Christian Rentrop

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Das Internet of Behaviors ist eine Mischung aus drei Disziplinen: Technologie, Datenanalyse und Psychologie. Gerade der dritte Faktor spielt eine enorme Rolle, sowohl für den Anwender als auch für Unternehmen.

Jeder Mensch ist anders, diese Erkenntnis kann auch im Internet of Behaviours von großem Nutzen sein.
Jeder Mensch ist anders, diese Erkenntnis kann auch im Internet of Behaviours von großem Nutzen sein.
(Bild: Gerd Altmann / Pixabay)

Das Internet of Behaviors (IoB) ist kaum mehr als eine riesige Datensammlung, die über smarte Objekte erstellt und anschließend analysiert wird. Hiermit soll Nutzerverhalten analysiert und Anwendungsszenarien oder Services optimiert werden. Gleichzeitig können die verwendeten Daten aber auch dazu verwendet werden, Nutzerverhalten zu steuern.

In diesem Fall spielt von den drei Standbeinen des Internet of Behaviors – die Technologie, die Datenanalyse und die Psychologie – vor allem die Psychologie eine entscheidende Rolle: Der Nutzer muss einerseits der Datensammlung zustimmen und andererseits das „Nudging“ akzeptieren, das von seinem smarten IoB-Gerät oder entsprechenden Apps ausgeht. Nur wenn beide Aspekte sinnvoll implementiert werden können, lässt sich ein Dienst möglich, der sowohl für den Nutzer als auch für das Unternehmen Mehrwert bringt.

Skepsis überwinden

Vor dem Erfolg einer IoB-Anwendung steht natürlich die Einwilligung des Nutzers: Dieser muss die Anwendung als positiv wahrnehmen und sich einen Mehrwert erhoffen. Zahlreiche Gesundheits- und Fitness-Apps arbeiten nach diesem basalen Prinzip: Der User hat ein Bedürfnis – fitter werden, abnehmen – und erhofft sich über die App oder das Smart-Device (etwa seine Smartwatch) eine Lösung seines Problems.

Entsprechende Geräte-App-Kombinationen messen zum Beispiel, wie viel sich der Nutzer bewegt – und weisen ihn höflich darauf hin, dass er sich heute noch nicht genug bewegt hat. Hier spielen alle drei Faktoren des IoB hinein: Technologie in Form von Smartwatch und App, Datenanalyse auf Seiten des Anbieters sowie Psychologie sowohl bei der Nutzung der Anwendung als auch durch die Anwendung selbst.

Hier gibt es allerdings einen geringen Akzeptanzgrad: Einerseits ist die Smartwatch natürlich ein recht hochpreisiges Gadget, dessen Kauf zunächst Freude beim Nutzer auslöst. Gleichzeitig ist er aber ob des zugehörigen IoB-Dienstes vermutlich skeptisch. Die Freude über die Neuanschaffung kann deshalb schnell in einen Buyers Regret und die Rückgabe des Geräts oder Nichtnutzung des Dienstes umschlagen, wenn dieser ständig nörgelt oder sich gar als übergriffig erweist. Diese Skepsis darf idealerweise gar nicht aufkommen oder sollte durch präventive Maßnahmen aufgefangen werden.

Kommunikation ist alles

Praktischerweise kann die IoB-Anwendung auch für A/B-Tests verwendet werden: Unter welchen Umständen verwenden Anwender den Dienst am meisten? Wann beginnen sie, die Smartwatch nicht mehr anzuziehen oder die App nicht mehr zu nutzen? Unter welchen Umständen ist es möglich, „verlorene“ Nutzer zurückzuholen? Und was sorgt dafür, dass der Anwender aussteigt? Die auf diese Weise anfallenden Negativ-Effekte samt zugehöriger Daten sind – auch wenn es zunächst Nutzer kosten kann – hilfreich, um einen Service kontinuierlich zu verbessern.

Auch positive Effekte können mit A/B-Testing gesammelt und gemessen werden: Wenn zwei ähnliche User hier eine spielerische Variante der App erhalten, in der durch Fitness-Übungen virtuelle Erfolge oder Punkte erzielt werden können und dort eher im Kommandoton zum Üben aufgefordert wird, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass letzterer Anwender aussteigt: Gut möglich, dass mancher genau diesen Kommandoton benötigt, um sich aufzuraffen.

Ganz egal wie: Wenn das Ziel „Abnehmen“ oder „fitter werden“ dank der IoB-Anwendung erreicht wird, ist der Anwender zufrieden und wird Gerät samt Service weiterempfehlen. Das wiederum hilft natürlich dem Anbieter.

Moderne psychologische Erkenntnisse nutzen

Um solche Tests durchzuführen oder Benutzeroberflächen und -kommunikation zu optimieren, ist es hilfreich, psychologische Erkenntnisse, insbesondere der IT- und Werbepsychologie, zu verwenden: Marketing, Farbenlehre, Eye-Catcher, attraktive Bebilderung, Aspekte der Aufmerksamkeits-Ökonomie, die Mensch-Maschine-Interaktion und nicht zuletzt Konditionierung des Anwenders durch gezielte Wiederholung.

Unternehmen, die diese Kombi beherrschen, können ihre IoB-Dienste nicht nur optimal vermarkten, sondern erhalten auch ein positives Kundenfeedback, was wiederum für höhere Verkaufszahlen und dadurch wiederum zu mehr verwendbaren Daten sorgt. Dabei können schon Kleinigkeiten über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

Wenn eine GUI zeitgeistiges Duzen statt höflichem Siezen verwendet, das in dieser Zielgruppe aber nicht erwünscht ist, sinkt die Akzeptanz. Auch das Design der GUI oder die Häufigkeit der Erinnerungen durch Apps können einen schmalen Grat zwischen Erfolg und Misserfolg einer Anwendung, eines Dienstes oder eines Geräts darstellen.

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Praktische Metadaten

Über die Gesamtheit der Nutzer lässt sich natürlich ebenso jederzeit ein detailliertes Bild von Zielgruppen und, daraus abgeleitet, ein Bild des Nutzerverhaltens insgesamt ableiten. Es ist gut möglich, dass Apps und Geräte anders verwendet werden als ursprünglich angenommen. Softwareentwickler und Unternehmen können die Zielgruppen-Ansprache dann mit Updates relativ schnell und einfach optimieren.

Gleichzeitig bewirken IoB-Anwendungen, wenn sie gut und passend realisiert sind, eine tatsächliche Verbesserung des Nutzerverhaltens und damit der Art und Weise, wie Menschen ihr Leben führen. Wer zum Beispiel mit einem Wearable für Fitness-Tracking ausgestattet ist, wird sich womöglich auch darüber freuen, über erhöhte Herzfrequenz im Ruhezustand oder Unregelmäßigkeiten bei der Atmung, die der Nutzer selbst vielleicht nicht realisiert, informiert zu werden.

Über die Gesamtheit der Nutzer lassen sich Mittelwerte ableiten und ein gewisser Spielraum festlegen: Wird dieser überschritten, wird der Anwender informiert – und kann die nötigen Schritte einleiten, etwa einen Arztbesuch. Die Nutzer-Ansprache muss dabei jederzeit positiv und hilfreich sein und sollte den Anwender nicht zu irgendetwas zwingen: Auch hier spielen psychologische Faktoren – etwa der Wunsch nach Selbstbestimmung – hinein, der jedem Nutzer, auch wenn alle Daten auf ein Gesundheitsproblem hinweisen, die Wahl lässt.

Das gleiche gilt selbstredend auch bei anderen Anwendungen, die auf smarter Hardware basieren. Moderne Autos etwa besitzen limitierte Selbstfahr-Modi und weisen den Anwender nach kurzer Zeit freundlich darauf hin, die Hände wieder ans Steuer zu legen. Tut er das nicht, liegt – auch basierend auf Datenanalysen – höchstwahrscheinlich ein Notfall vor oder der Fahrer ist eingeschlafen.

In beiden Fällen ist es sinnvoll, dass das Fahrzeug selbst entscheidet, anzuhalten und gegebenenfalls einen Notruf abzusondern. Hält das Auto hingegen einfach an, wenn der Fahrer die Hände vom Steuer nimmt oder warnt mit extremem Nachdruck, wird dieses Verhalten höchstwahrscheinlich nicht positiv aufgenommen – auch wenn es am Ende des Tages genau so der Verkehrssicherheit dient. Hier müssen die Autonomie des Geräts und der Willen des Nutzers ineinander greifen, um ein IoB-Produkt so zu optimieren, dass es dem Anwender suggeriert, etwas zu tun – ohne dass er sich dabei genötigt fühlt.

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