BW/4HANA Das SAP Business Warehouse tritt in eine neue Ära ein
SAP hat eine komplett neue Version seines Data Warehouses BW angekündigt. BW/4HANA verfolgt einen neuen, dem Zeitalter der Digitalisierung angepassten Ansatz für Echtzeitdaten. Allerdings wird als Datenbank nur noch HANA unterstützt, nicht aber Oracle und SQL Server.
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„Das Data Warehouse BW/4HANA bildet das Backend für alle Datenverwaltungs- und -verarbeitungsprozesse“, sagt Stefan Sigg, Senior Vice President und Entwicklungsleiter für den Bereich Analytics und Head of Analytics Development. „Das Business Warehouse dient der Harmonisierung und Integration mehrerer Datenquellen. Hier werden KPIs definiert und analysiert.“
Das SAP Business Warehouse (BW), das bei rund zehntausend SAP-Kunden weltweit auf rund 20.000 Systemen in Betrieb ist, bildet für viele analytische Prozesse im Unternehmen die Grundlage. Aber es hatte stets auch Performance-Probleme, denn häufig lief es auf Datenbanken von IBM, Oracle oder Microsoft. Im Jahr 2011 machte SAP das BW deshalb auf seiner HANA-Plattform mit einem „BW Accelerator“ verfügbar.
BW/4HANA ändert diese Situation nun. „Die Unterstützung für Oracle und SQL Server fällt jetzt weg“, sagt Stefan Sigg. Das sei aber dem Trend der Zeit angemessen, keine riesigen Datensammlungen mehr anzulegen, sondern die Daten dort zu analysieren, wo sie sich befinden. Das ist besonders im Fall von Datenquellen in der Cloud von Vorteil. Mit anderen Worten: BW/4 kann mit seinem SQL-Standard sowohl SAP-Datenquellen als auch Nicht-SAP-Daten analysieren. „SAP- und Non-SAP-Daten in SAP BW miteinander zu integrieren, war bisher für SAP-Kunden eine Herausforderung”, berichtet die Gartner-Analystin Roxane Edjlali. Dieses Problem könnte nunmehr Geschichte sein.
„BW/4 lässt sich völlig stand-alone betreiben, auch ohne SAP-Anwendung“, so Sigg. „BW/4HANA kann auch separat von S/4 betrieben werden, also auch von SAP-Kunden, die SAP ERP bzw. Business Suite 7 nutzen“, berichtet Frank Niemann, Vice President Software & SaaS Markets bei PAC – a CXP Group Company. „Dass es SAP gelingt, BW auch an solche Firmen zu verkaufen, die keine SAP-Anwendungen nutzen, halten wir eher für unwahrscheinlich.“
Multi-Temperatur
In vielerlei Hinsicht soll der Nachfolger der bisherigen zwei BW-Versionen – aktuell gilt Version 7.5 – eine Reihe von Vereinfachungen bringen, die den Betrieb und die Nutzung des BW agiler und kostengünstiger machen sollen.
So kann BW/4 etwa die Handhabung von Daten gemäß deren Aktualität automatisch gestalten. „Heiße“, aktuelle Daten landen dann auf schnellen Speichermedien wie etwa Flash Memory, kalte bzw. lange nicht genutzte Daten auf langsameren Medien wie etwa Festplatten oder sogar Bändern. Dieses Prinzip ist schon mindestens eine Dekade lang bei Datenbankherstellern wie etwa Teradata verbreitet. Dieser Aspekt ist indes von besonderer Bedeutung, wenn ein Anwender beispielsweise einen Data Lake auf Apache Hadoop nutzen möchte. Das ist bereits ohne Weiteres mit HANA realisierbar. Wenn ein solcher Data Lake laufend mit IoT-Daten befüllt wird, muss auch die schnelle, automatisierte Unterscheidung zwischen „kalt“ und „heiß“ geregelt werden.
Sowohl Admins als auch Fachabteilungsmitarbeiter und Entwickler sollen von der neuen modernen Benutzeroberfläche profitieren und damit produktiver arbeiten können. Datenflussmodellierung, App-Entwicklung mit Tools auf Eclipse, Kollaboration – sie alle sollen auch online erledigt werden können. „Ein Vorteil für den Administrator ist die neue Datenmodellierung“, meint Larissa Seidler, Analystin beim Analystenhaus BARC, das wie PAC zur CXP Group gehört. „Für die Endanwender stehen weiterhin die gleichen SAP-BI-Werkzeuge zur Verfügung.“ Diese basieren vor allem auf BusinessObjects, das auch in der Cloud bereitgestellt wurde, sowie auf SAP Lumira.
„Die App-Entwicklung soll nur noch Wochen oder wenige Monate statt wie bisher mitunter ein Jahr dauern“, stellt Sigg in Aussicht. „Hier ist aber auch insbesondere die Kreativität der Nutzer gefordert, um diese Potenziale auch wirklich in Nutzen umzusetzen“, mahnt der Unternehmensberater Wolfgang Martin an.
Vielseitiger Betrieb
„Die früher umfangreichen Data Warehouse Layer sind auf nur noch maximal zwei Layer reduziert worden“, erläutert Sigg. „Dadurch und durch viel weniger Objekte kann der Daten-Lebenszyklus viel schneller sein, denn es gibt unter anderem weniger Kopien und Transfers.“ Die Latenzzeit für die Übertragungen, falls sie überhaupt notwendig sind, sei viel geringer. „Diese Vorteile führen zu niedrigeren Kosten im Betrieb des Data Warehouses.“
Wenn dieser Betrieb dann auch noch als Hybrid Cloud oder ganz in der Managed Cloud bei SAP (HANA Enterprise Cloud) oder – vorerst – Amazon (AWS) erfolgt, sollen sich die Betriebskosten laut Sigg noch mehr senken lassen. Allerdings hat sich dabei etwas entscheidend geändert: „BW/4HANA ist nur zu einem bestimmten Preis erhältlich, wohingegen das SAP BW auf jeder Datenbank außer HANA kostenlos war“, berichtet Roxane Edjlali von Gartner.
Tücken der Migration
Die rund 10.000 BW-Kunden in aller Welt haben zahllose Mannstunden in die Schaffung von InfoCubes – die jetzt alle wegfallen – und in Business Explorer (Bex) Reports gesteckt. Diese Investitionen wollen sie sicherlich nicht verlieren. Das macht die Frage der Migration von SAP BW oder „BW on HANA“ zu einer Frage des Investitionsschutzes. Aber auch die Aussicht, dass die bisherigen BW-Versionen nicht mehr mit Hochdruck, wenn überhaupt, weiterentwickelt werden, dürfte viele BW-Anwender früher oder später veranlassen, auf BW/4 zu wechseln.
Für diesen Übergang gibt es nach Angaben von Stefan Sigg mehrere Lösungen. Die erste besteht im Upgrade auf die Version BW 7.5, insbesondere im Umsatteln auf HANA anhand der Database Migration Option. Dieses „BW on HANA“ sei dann der ideale Kandidat, um per Add-on eine Transformation von Daten, Datenobjekten und Datenmodellen (Semantik, Schichten usw.) auszuführen. Am Schluss sollen nur noch zwei Layer übrig bleiben und vor allem das neue Advanced DataStore Object genutzt werden, das die gewohnten InfoCubes ablöst. Oder man fängt noch mal vorne mit einer Neuinstallation an. Aufgrund des Cloud-Betriebs dürfte auch dies kein Hexenwerk mehr sein.
Das neue Angebot BW/4 betrifft „im Endeffekt alle“ BW-Nutzer, so Wolfgang Martin. „Hier sind auch die SAP und ihre Partner insbesondere mit Beratungsleistung gefordert. Beratungsleistung heißt hier: Die Innovationspotenziale beim Kunden zu identifizieren und zu realisieren. Eine einfache Migration mit Geschwindigkeitsgewinn ist nicht ausreichend.“
SAP hat BW/4HANA so entworfen, dass es von der Integration mit S/4HANA profitiert“, urteilt Roxane Edjlali. „Natürlich wäre die Kombination mit S/4HANA optimal“, stimmt Sigg zu, „denn beide Umgebungen sind bereits komplett virtualisiert, laufen also in der Cloud, ganz gleich ob Private, Managed oder Hybrid Cloud.“
Es gibt aber mindestens eine Überschneidung: „SAP S/4HANA verfügt bereits über eine Reihe von Funktionen für Reporting und Datenanalysen“, berichtet BARC-Analystin Seidler. „Je nach Anforderung kommen Firmen auch ohne zusätzliches BW aus.“ Zukünftig sei indes zu erwarten, dass BW/4HANA über eine einfachere Integration mit S/4HANA gekoppelt werden kann. Eine gemeinsame Lizenzierung von S/4 und BW/4 hat SAP noch nicht verlautbart.
Geteiltes Echo
„Der Marktanteil der SAP im Segment Data Warehouse verändert sich durch das neue Angebot nicht wesentlich“, schätzt PAC-Analyst Niemann. „Eine größere bzw. sichtbare Verschiebung der Marktanteile wäre dann möglich, wenn SAP-Kunden, die heute Data Warehouses von Drittanbietern wie Oracle, IBM, Teradata, etc. nutzen, diese durch BW/4HANA ablösen würden.“ Der Marktanteil von Datenbanksystemen und BI-Software lag 2015 nach Angaben von Gartner bei 48,7 Milliarden US-Dollar des gesamten Software-Umsatzes. Das entsprach rund ca. 10,3 Prozent von 436,4 Milliarden US-Dollar. Es geht also um eine Menge Geld.
Stefan Sigg: „BW/4HANA heißt neue, innovative Technologie und bedeutet für die Kunden im Zeitalter der Digitalisierung einen wichtigen Schritt nach vorne. Ich glaube, mit dieser Initiative kann SAP Marktanteile gewinnen.“ Niemann von PAC meint: „Wir gehen davon aus, dass es eher für Firmen spannend werden kann, die auf S/4HANA migrieren – vorausgesetzt, dass SAP eine bessere Integration zwischen S/4 und BW/4HANA schafft.“
„Die DSAG erwartet zeitnah Antworten von SAP, wie es mit SAP Business Warehouse weitergeht“, sagt Marco Lenck, Vorstandsvorsitzender der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG), „und Informationen, welche Vorteile sich für SAP-Kunden ergeben, wenn sie in die in die neue Produktwelt eintreten würden.“
Noch bleiben also einige Fragen offen, auf welches Echo die neue Version des BW bei den Anwendern treffen wird. Sicher ist aber, dass die Erwartungen hoch sind und dass SAP weiter verstärkt auf die Bereitstellung ihrer Software in der Cloud setzt. „Weitere Plattformen neben AWS werden zu gegebener Zeit angekündigt“, so Stefan Sigg von SAP.
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