Vom Mainframe in die Cloud COBOL – eine Programmiersprache wird uns alle überleben
Die Unternehmens-IT ist in einem permanenten Wandel gefangen – aktuell mischen Microservices und Container, Programmiersprachen wie Python, R und Ruby, Blockchains, Künstliche Intelligenz (KI) und eine ominöse Facebook-Währung die Szene auf. Aber eines bleibt immer: COBOL.
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Eine auf Innovationen versessene Gesellschaft und ihre IT braucht das ständig Neue, gerne auch Disruptive, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Alles muss sich ändern, damit neue Projekte und Produkte an deren Stelle treten können. So läuft das Business, Stupid! Manche Dinge sind aber so wichtig und unabdingbar, dass man sie besser nie ändert, ja besser noch nicht einmal anfasst. Diese Dinge sind in COBOL verfasst.
Wir sprechen von Datenbanken mit so kritischen Inhalten, dass kein Zeitgeist sie von ihrer Hardware-Plattform, sei es ein Mainframe oder ein gusseiserner Server, schubsen oder sie in einen neuen Dialekt übersetzen will. Die nicht zuletzt in Finanzbehörden beheimateten Datensätze sind verfasst in der 1959 entwickelten Programmiersprache Common Business-Oriented Language, kurz COBOL, deren Historie der geneigte Leser bitte auf Wikipedia nachlesen mag. Dabei wird klar: COBOL ist gerade 60 geworden – alles Gute zum Geburtstag also!
Nach Auskunft des Beratungsunternehmens COBOL Cowboys waren 2016 immer noch 200 Milliarden Zeilen COBOL-Code im Einsatz, 90 Prozent aller Fortune 500-Unternehmen setzen weiterhin COBOL-Code ein. Und das wird sich so bald nicht ändern: Laut Que Mangus von Micro Focus werden heutzutage immer noch 70 Prozent aller Transaktionsverarbeitungssysteme mit COBOL gebaut
"Die meisten Menschen wissen nicht, dass ihr Alltag von der 60 Jahre alten Technologie abhängt. Egal, ob es um eine Transaktion am Geldautomaten geht, um eine Buchung von Reisen oder um das Einreichen eines Versicherungsanspruchs - wir alle interagieren jeden Tag in irgendeiner Weise mit COBOL-basierten Systemen. Und werden dies auch in absehbarer Zukunft tun. Das belegt unzweideutig die Langlebigkeit und anhaltende Relevanz von COBOL. Ich glaube, dass die Programmiersprache noch 60 Jahre lang geschäftskritische Anwendungen in der Cloud ausführen wird", so Mainframe-Experte Craig Marble vom Modernisierungsexperten Astadia.
COBOL geht in die Cloud
Marble ist schwer damit beschäftigt, Unternehmen beim Umzug in eine moderne Cloud-Infrastruktur zu begleiten. Bekanntermaßen gilt die Cloud als unabdingbar für die digitale Transformation, also befinden sich gerade sehr viele Firmen mitten in der Umsetzung einer Cloud-Strategie inklusive der eifrigen Planung oder Migration ihres Portfolios zu einem Cloud-Anbieter.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Cloud Computing ist angetreten, IT-Teams viel Arbeit abzunehmen und sie vom Verwalten lästiger Hardware zu befreien. Was könnte lästiger sein als ein Mainframe? Und teurer? Schon aus Kostengründen schielen COBOL-Anwender nach Möglichkeiten, ihre Großrechenanlagen zum alten Eisen zu legen.
Erst mit Virtual Machines, nun zunehmend mit Containern wurde und wird versucht, Altanwendungen und ihre Workloads auf eine Private Cloud-Plattform zu heben, waghalsige Naturen mögen gar Public Clouds als Zielort in Erwägung ziehen. Die ungeschickteren Anwender versuchen, eine ihrer Altanwendungen 1 zu 1 in einen Container zu stecken und ihn auf AWS oder einem anderen Hyperscaler laufen zu lassen, so Marble. Java-Programme können Parameter an COBOL übergeben und die Ergebnisse abrufen. IBM offeriert ein „COBOL-Aufrufstubgenerator-Tool“, mit dem die Java-Aufrufstubs und Datenbindungen basierend auf den Daten- und Verbindungsdefinitionen in der COBOL-Quelle erstellt werden können.
Cobol-Anwendungen in Funktionen aufteilen
Die geschickteren Anwender teilen ihre Legacy-Anwendung jedoch in Funktionen auf und verteilen und managen sie über eine hybride Cloud-Infrastruktur, „wodurch die Menge an Code reduziert wird, die Sie verwalten müssen“. Micro Focus wende jährlich 60 Millionen Dollar alleine dafür aus, COBOL für Container und Microservices auszulegen.
Und Micro Focus ist nicht allein. Mark Cresswell, CEO von LzLabs berichtet, dass sein Unternehmen aktuell an der Entwicklung einer Containerlösung für den Software Defined Mainframe (SDM) sitzt. Dafür werden ältere Mainframe-Anwendungen in eine Vielzahl unabhängiger Microservices umgewandelt, „ohne dass sich der Quellcode ändert. Dieser Ansatz ermöglicht es bestehenden COBOL Commarea-Programmen - um einen älteren Spezialbegriff zu verwenden -, zu einem Microservice zu werden, der sich leicht mit ganz modernen Anwendungen verbinden lässt.
„Die Nutzung dieser alten ‚Kronjuwelen‘ als Microservices ermöglicht die Wiederverwendung für moderne digitale Geschäftslösungen“, so Cresswell. „Zum Beispiel kann eine Bank mit Millionen von COBOL-Zeilen eine Anwendung für die Beurteilung eines Kunden wiederverwenden, ohne sie in Java oder einer anderen moderneren Sprache neu zu schreiben. Die LzLabs-Lösung ermöglicht es Unternehmen, die Legacy-Programme zu isolieren, die diese Kundenbewertungsfunktion als separaten Microservice bereitstellen, und sie problemlos wiederzuverwenden.“
In Kombination mit einem Linux-Paketen und der Docker-Technologie werden diese Komponenten als unabhängiger Microservice bereitgestellt und gebündelt als "Legacy Container-as-a-Service" (LCaaS) bereitgestellt.
COBOL bleibt uns erhalten
Es sieht also ganz so aus, als ob die 60 Jahre alte Programmiersprache gerade praktisch für die Ewigkeit zementiert wird. Sie vom Mainframe loszueisen und in Funktionen, Microservices und Container aufzubrechen und wiederzuverwenden macht sie für die moderne IT wieder tauglich. Und da die in COBOL festgehaltenen Informationen und Daten essenziell wichtig sind, wird es vermutlich auch zum 100sten Geburtstag der Sprache noch heißen: COBOL – eine Programmiersprache wird uns alle überleben.
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