Gewillte Fachangestellte als Entwickler einsetzen Citizen Developer – ein Ansatz mit Potenzial

Ein Gastbeitrag von Larissa Wißmann * Lesedauer: 4 min |

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Citizen Development birgt viele Vorteile, wirft aber auch einige Fragen für die Umsetzung auf: Wie etabliert man das Konzept Citizen Development im Unternehmen, wie schult man die interessierten Angestellten umfangreich genug und wie sorgt man dafür, dass sie kulturell mit eingebunden werden?

Schulungen und kompetente Ansprechpartner sind wichtig, wenn Angestellte aus anderen Abteilungen ihre Apps selbst entwickeln sollen
Schulungen und kompetente Ansprechpartner sind wichtig, wenn Angestellte aus anderen Abteilungen ihre Apps selbst entwickeln sollen
(Bild: X / Unsplash)

Basic Knowledge – Citizen Developer

Die Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen ist für Unternehmen überlebenswichtig, der IT-Arbeitsmarkt aber gleichzeitig leergefegt. Besonders die Bereiche Softwareentwicklung und Data Science machen den Notstand deutlich. Kleinere, speziellere Anwenderthemen werden daher schnell mal vernachlässigt.

Die Lücke bei der Entwicklung fachspezifischer Anwendungen kann Citizen Development schließen. In einem Citizen Development Projekt entwickeln IT-fremde Anwenderinnen und Anwender selbstständig Lösungen, die tägliche Aufgaben deutlich optimieren können. Das Einzige, was sie dafür brauchen, sind geeignete Tools in Form von Low-Code- oder No-Code-Plattformen. Diese Lösungen bieten vorgefertigte Bausteine, die Angestellte in die Lage versetzen, eine Anwendung zu erstellen oder einen Prozess zu automatisieren, ohne dafür Programmierkenntnisse zu benötigen.

Der große Vorteil: Citizen Developer sind nicht nur die Programmierenden, sondern gleichzeitig auch die Nutzenden der Apps; sie wissen aus ihrer täglichen Praxis besser als jede Development-Fachkraft, wie genau der abzubildende Prozess aussehen sollte. Mit den so entstehenden neuen Lösungen werden Fachanforderungen also direkt umgesetzt – ohne den Umweg über die IT.

Unsere Erfahrungen

Als wir bei der Haufe Group 2020 das Citizen-Developer-Konzept einführten, war uns klar, dass der Bedarf an Low-Code-Entwicklungen groß war. Mindestens genauso groß war auch das Interesse, als Citizen Developer tätig zu werden.

Know-how Transfer, das Rad nicht immer wieder neu erfinden und der Blick auf Datenschutz- und Sicherheitsprobleme gaben den Ausschlag, uns intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ansonsten befürchteten wir eine unüberschaubare Zahl an Projekten und damit ein Chaos, dem wir nicht so schnell wieder Herr werden würden. Daher mussten wir zunächst eine grundsätzliche Entscheidung treffen: Wie viel Freiraum sollten die Citizen Developer bekommen und welche Rolle sollten sie übernehmen?

Dabei ist es besonders wichtig, den Balanceakt zwischen Kontrolle und Freiheit zu meistern. Auf der einen Seite braucht es eine zentrale Instanz, um redundante Projekte zu vermeiden, gleichzeitig dürfen Unternehmen diese Kontrolle auch nicht übertreiben, um die Kreativität und Motivation der Citizen Developer hochzuhalten.

Erst die richtigen Grundbausteine machen es möglich, dass immer mehr Abteilungen vollkommen unabhängig von der IT eigene Anwendungen für ihre Fachbereiche entwickeln können. Nach mittlerweile zweijähriger Erfahrung mit dem Konzept Citizen Developer sind wir begeistert davon, wie der Ansatz die Innovation im Unternehmen vorantreibt.

Citizen Developer finden und schulen

Entscheidet man sich als Unternehmen dafür, auf Citizen Developer zu setzen, gilt es zunächst, die richtigen Mitarbeitenden für das Programm zu finden. Ein großer Vorteil dabei: Viele Mitarbeitenden haben auf der Anwenderseite sehr viel Erfahrung mit Software. Sie haben einen Zugang zu digitalen Themen und wünschen sich oft, kleinere Herausforderungen auch selbstständig lösen zu können. Diese Motivation gilt es zu unterstützen.

Sind die Citizen Developer gefunden, bedarf es einiger Leitplanken. So müssen die zukünftigen Entwickler und Entwicklerinnen für das, was sie tun, sensibilisiert werden. Es gilt, sie in Bereichen wie Datenschutz und Security zu schulen und ihnen deutlich zu machen, welche Verantwortung ihnen bei den Programmierungen zukommt. Jede Person soll die Möglichkeit haben, einen Beitrag zu leisten.

Voraussetzung dafür ist nur eine fundierte Vorbereitung und Schulung. Bei der Haufe Group haben wir einen „Build your own App“ Kick-Off-Workshop veranstaltet. Die Nachfrage war enorm und der Workshop ein großer Erfolg.

Ist die IT nicht in den Prozess eingebunden, benötigt es zusätzlich zu Schulungen maßgebende Kriterien, um den internen Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Dokumentation gerecht zu werden. Dazu sollten u.a. folgende Fragen geklärt werden: Wie umfangreich wird die entwickelte Software getestet? Wie sicher sind die Anwendungen und wer verfügt über die Rechte? Wer ist für Wartung und Pflege der Software zuständig und an wen kann man sich bei auftretenden Problemen wenden? Dies sind wichtige Leitplanken, ohne die der innovative Kreativprozess im Wildwuchs enden kann.

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Integration in den Arbeitsalltag

Ist eine neue Lösung entwickelt und die Software einsatzbereit, gilt es nur noch, diese in die jeweiligen Abteilungen des Unternehmens zu integrieren. Bei umfangreicheren Anwendungen kann hier noch die Hilfe der IT-Abteilung von Nöten sein, während kleinere Lösungen auch problemlos direkt genutzt werden können.

Insgesamt wägen wir bei der Implementierung stets ab, was die konkrete Zielsetzung einer entwickelten Anwendung ist. Ist eine Entwicklung gruppenweit von Relevanz und bringt einen erheblichen Mehrwert, bietet sich sogar die Investition in eine Lizenz an. Manchmal handelt es sich aber auch „nur“ um die Entwicklung einer Sommerfest-App, in der sich alle Mitarbeitenden anmelden können, um papierlos Zutritt zum Festgelände zu bekommen: Eine schöne Sache, aber definitiv kein Thema, das wir nachhaltig weiterverfolgen müssten.

Fazit

Sowohl im Business-Kontext als auch in der privaten und persönlichen Weiterentwicklung ist der Citizen-Developer-Ansatz interessant. Die Frage, ob man die Eigenprogrammierungen unterbindet oder gezielt fördert, stellt sich eigentlich nicht. Citizen Developer sind ein Trend, der bleiben wird –und deren Einsatz besonders für schnelle Lösungen, die nicht zu komplex sind, auch sehr sinnvoll ist.

Larissa Wissmann
Larissa Wissmann
(Bild: Haufe Group)

Denn Citizen Developer steigern die Flexibilität, beugen Fachkräftemangel vor, reduzieren Kosten und bringen mehr Innovation, Agilität und Produktivität ins Unternehmen. Insbesondere die einzelnen Fachbereiche profitieren von dem Einsatz der Citizen Developer, da sie schneller und einfacher genau die Anwendungen erhalten, die sie für ihre tägliche Arbeit benötigen. Somit fördern die Citizen Developer maßgeblich die digitale Transformation von Unternehmen.

* Larissa Wissmann ist seit 2014 in der Haufe Group in unterschiedlichen Rollen im Bereich IT Service Management tätig. Seit November 2021 verantwortet sie als Head of Digitalization das Vorantreiben der Digitalen Transformation der Haufe Group. In dieser Rolle beschäftigt sie sich vor allem mit Performance-Themen, die Potenziale innerhalb des Unternehmens freilegen sollen und hat sich dem Thema Citizen Developer verschrieben.

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