Grüne Software Cast erkennt Software-Muster mit hohem Energieverbrauch

Von lic.rer.publ. Ariane Rüdiger Lesedauer: 5 min |

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Neben weniger Kühlenergie und mehr Abwärmenutzung könnte so genannte Grüne Software ein wichtiger Hebel für Energie-effizientere IT sein. Das Software-Unternehmen Cast Software hat sich das Thema auf die Fahnen geschrieben.

Mit Hilfe der Cast-Cloud-Applikation können Anwender ihre Software modernisieren, sicherer und umweltfreundlicher gestalten.
Mit Hilfe der Cast-Cloud-Applikation können Anwender ihre Software modernisieren, sicherer und umweltfreundlicher gestalten.
(Bild: Cast Software)

Dass Software sich immer wieder ändert, ist an sich nichts Neues. Das Thema ist seit der Einführung von Client-Server-Modellen immer wieder auf dem Tisch. Besonders aber, seit mit der Cloud und Mikroservices als neuen Infrastruktur- und Software-Alternativen moderne, sehr flexible Technologievarianten verfügbar sind.

Doch Software-Umbauten sind beschwerlich und höchst individuell, je nachdem, um welches Programm es sich handelt. Besonders betroffen sind natürlich monolithische Software-Boliden, die vorzugsweise auf dem Mainframe laufen. Sie umzustricken ist heikel, denn gleichzeitig bilden sie oft eine unverzichtbare Stütze des Kerngeschäfts.

Cloud-Applikation für die Software-Modernisierung

Daraus machte das aus Frankreich stammende Software-Unternehmen Cast ein Geschäftsmodell. Seine Dienstleistung: ein Softwareservice aus der Cloud, mit dem sich feststellen lässt, welche Softwareteile für einen Umzug in die Cloud so bleiben können, welche verändert werden müssen und welche man am besten ganz neu schreibt.

Kunden laden sich dafür eine Applikation von Cast aus der Cloud auf ihre Systeme, geben diverse Allgemeininformationen zu dem zu analysierenden Programm in eine Benutzerschnittstelle ein, zum Beispiel Zahl er Nutzer und Alter des Programms, und lassen das Cast-Tool über den in Frage stehende Sourcecode laufen. Die erzeugte Metadatei ohne vertrauliche Informationen wird dann in die Cast-Cloud-Anwendung hochgeladen. Diese zeigt nun abschnittsweise die Qualität ihrer Software farbig markiert an.

Lösungen übernehmen Kooperationspartner

Der Dienstleister erfährt dabei nicht, um welche Software es sich handelt. Und auch mit der Umsetzung vorgeschlagener Veränderungen hat Cast Software nichts zu tun, erläutert Houssem Ben Abderrahman, der fürs Geschäft des Unternehmens im deutschsprachigen Raum zuständig ist.

„Ende des Jahres erste Kunden für das Green-Software-Modul“, Houssem Ben Abderrahman, Geschäftsführer DACH bei Cast Software im Video-Interview
„Ende des Jahres erste Kunden für das Green-Software-Modul“, Houssem Ben Abderrahman, Geschäftsführer DACH bei Cast Software im Video-Interview
(Bild: Rüdiger)

Die Lösungen tüfteln bislang die Kooperationspartner, meist große Beratungsfirmen wie Accenture, PwC oder Deloitte, aus. Zu den Kunden gehören vor allem Banken, Versicherungen wie Generali, aber auch produzierende Unternehmen wie BMW oder Fujitsu.

Erkennen von Sicherheitslücken und Software-Ineffizienzen

Inzwischen hat das 1990 gegründete Unternehmen Cast seine Software auch auf den Bereich Sicherheit ausgeweitet. Das heißt: Beim Programm-Scan lässt sich auch anzeigen, welche Programmbereiche inhärent unsicher sind. Das ist seit dem unerwarteten Chaos rund um „Log4j“, einen Java-Schädling, vor allem da wichtig, wo Unternehmen viel Open Source einsetzen.

Seit Anfang 2023 ist nun noch ein Thema hinzugekommen: Grüne Software. „Wir haben bislang rund 150 Pattern in Programmen entdeckt, die mehr Energie verbrauchen als es eigentlich für die jeweilige Funktion sein müsste“, erklärt Ben Abderrahman.

Ungeschickte Programmiermuster steigern den Energieverbrauch

Ein Beispiel seien Datenbankaufrufe. Es gebe Programme, die ständig irgendwelche Datenbanken aufriefen. Könne man diese Aufrufe an ein anderes Modul auslagern, senke das automatisch den Energieverbrauch einer Software.

In einem speziellen Softwarelabor arbeiten rund zehn Prozent der Software-Ingenieure von Cast. Sie analysieren ständig neue Programme und entdecken dabei neue Pattern, die dann in den Fundus einfließen.

Dabei betreffen die Analysen weniger Office-Software oder ähnliche Systeme. Vielmehr geht es um Profi-Software, oft mit hohem Open-Source-Anteil, die von den Cast-Kunden für betriebliche Zwecke genutzt wird.

Veränderungsbedarf in Ampelfarben

Wird Applikationsportfolio mit dem Green-Software-Modul gescannt, erscheinen auch hier die unbedingt veränderungsbedürftigen Applikationen in Rot, die etwas weniger energieverschwenderischen in Gelb und diejenigen, die aus energetischer Sicht schon optimal oder beinahe optimal funktionieren, in Grün.

Kunden im deutschsprachigen Raum für dieses neue Angebot gibt es noch nicht, dafür sei es zu neu, meint Ben Abderrahman: „Wir hoffen auf die ersten bis Ende des Jahres.“

Steigender Bedarf nach grüner Software

Er geht davon aus, dass das Bedürfnis danach, Software umweltfreundlicher zu gestalten, steigen werde. „Die Geschäftsführungsebene muss aus Regulierungsgründen auf die Kohlendioxidausstöße schauen, und zur Reduktion muss zukünftig auch die IT ihren Teil beitragen. Das sorgt für Druck“, so Ben Abderrahman.

Doch das Mindset von Softwarekunden und vor allen Dingen Programmierern sei noch nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. „Es geht heute um Performance, Sicherheit und Effizienz, nicht unbedingt um Nachhaltigkeit“, sagt der Manager. Hier müsse sich etwas ändern.

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Modularisierung und Mainframe-Abschied als Nachhaltigkeits-Booster

Ein wichtiger Ansatz sei beispielsweise die Modularisierung von Software. Software, die aus einzelnen, separat an- und abschaltbaren Modulen besteht, könne weniger Energie verbrauchen als die heutigen Monolithe. Dann könne auch die Rechenleistung sinken, ohne dass Rechner und Algorithmen an Leistungsfähigkeit einbüßen.

Auch wenn alte Mainframe-Software in die Cloud verlagert werde, bedeute allein dies schon eine deutliche Energie-Einsparung. „Mainframes brauchen viel Strom“, sagt Ben Abderrahman.

Mehr als die Hälfte der Software muss verändert werden

Doch bis dahin sei es noch ein weiter Weg. Was man dabei vor allem brauche, seien sinnvolle Standards. Deshalb arbeitet Cast mit der Green Software Foundation zusammen, wo auch viele Open-Source-Pioniere mitmachen.

Das Green-IT-Dashboard von „Cast Highlight“ zeigt, wie viel Prozent der Software so bleiben kann.
Das Green-IT-Dashboard von „Cast Highlight“ zeigt, wie viel Prozent der Software so bleiben kann.
(Bild: Cast Software)

Bei grüner Software gehe es vor allem um Messbarkeit. So verwende Cast einen 'Green Index'. Er gibt an, welche Anteile einer Software aus Sicht der Energie-Effizienz renoviert werden müssten respektive wie viel von einer Software aus Umweltsicht in Ordnung ist.

„Durchschnittlich beträgt der Anteil eines Programms, an dem nichts verändert werden muss, derzeit weniger als 50 Prozent“, sagt Ben Abderrahman. Mit anderen Worten: Gut die Hälfte des Codes könnte aus Umweltsicht eine Verbesserung brauchen.

Ein Dashbord für alle Themen

Kunden, die mit Cast arbeiten, erhalten heute ein Dashboard mit den Punkten Software Health, Modernisierung/Cloud Readiness, Security und Green IT. Sie können zu jedem der Module Auswertungen anfordern und sich damit einen Überblick über ihre Softwarequalität verschaffen. Idealerweise werden die Scans regelmäßig wiederholt, um auch eine Entwicklung aufzuzeigen.

Damit allerdings will sich Cast in Zukunft nicht mehr zufriedengeben. Vielmehr will man den Kunden auch selbst Lösungen für ihre Softwareprobleme anbieten. Ideal wäre beispielsweise, wenn bei einer bereits modularisierten Software wenig effiziente oder unsichere Module sofort durch eine verbesserte Variante ersetzt werden würden.

Neue Vertragskonstrukte nötig?

Doch das wirft auch rechtlich delikate Fragen auf, beispielsweise die, wer dann verantwortlich ist, wenn durch ein solches ausgetauschtes Modul die gesamte Software nicht mehr funktioniert wie zuvor. „Möglicherweise braucht man hier andere Vertragskonstrukte mit einer Abnahme neuer Softwarebestandteile durch den Kunden, bevor der endgültige Austausch stattfindet“, gibt Ben Abderrahman zu bedenken.

Doch solche Probleme sind lösbar. Die gute Nachricht heißt: Wie es scheint, kommt der Zug Richtung grüne Software langsam ins Rollen.

Der „Blaue Engel für Software“ ist ein Qualitätsmaßstab für umweltfreundliche Software.
Der „Blaue Engel für Software“ ist ein Qualitätsmaßstab für umweltfreundliche Software.
(Bild: RAL GmbH)

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