Wahl der richtigen Blockchain-Plattform Blockchain-Plattformen und -APIs im Unternehmenseinsatz
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Mit der geschickten Wahl einer passenden Blockchain-Plattform steht und fällt der Erfolg der Lösungen, die darauf aufbauen. Diese Entscheidung beeinflusst die Leistungsfähigkeit der resultierenden Blockkette und ihre langfristige Skalierbarkeit. Angesichts der hohen Vielfalt an Blockchain-Plattformen und Ökosystemen haben Unternehmen noch die Qual der Wahl.

Gartner prognostiziert einen Anstieg der Wertschöpfung der Blockchain-Industrie auf knapp über 176 Milliarden USD bis 2025 und daraufhin ein sprunghaftes Wachstum auf sagenhafte 3,1 Billionen bis 2030, gab das Beratungshaus im Juni bekannt. Dennoch erwarten Gartner-Analysten, dass heutige Blockchain-Nutzer 90 Prozent ihrer aktuellen Blockchain-Implementierungen der Enterprise-Klasse bis 2021 werden ersetzen müssen.
Bei der Wahl ihrer Blockchain-Plattform haben die Unternehmen die Qual der Wahl.
Darum prüfe, wer sich bindet
Eine Blockchain-Anwendung existiert nicht im Vakuum; es handelt sich dabei meist um ein ganzes Ökosystem von Blockchain-Lösungen. Diesem liegt in der Regel ein quelloffenes Blockchain-Framework zu Grunde, welches die betreffende Blockchain als ein selbstwartendes, selbstheilendes Ereignisprotokoll ins Leben ruft. Alle Blockchains fallen im Grunde genommen in eine von drei Kategorien:
- öffentliche Blockchains erlauben auch Teilnehmern ohne eine verifizierte Identität uneingeschränkten Zugang zu der gebotenen Funktionalität (anonymisiert/pseudonymisiert); um Missbrauch zu verhindern, kommen verschiedene Mechanismen der Konsensbildung in Kombination mit wirtschaftlichen Anreizen (wie das Mining einer Kryptowährung) zum Einsatz;
- private Blockchains beschränken den Zugang auf eine Gruppe berechtigter und bekannter Identitäten unter der Kontrolle einer einzelnen Organisation; typische Einsatzgebiete umfassen das Dokumentenmanagement, die Nachverfolgung von Forschungsergebnissen etc.
- Konsortium-kontrollierte Blockchains bilden eine Mischform aus privaten und öffentlichen Blockchains; diese hybriden Lösungen beschränken den privilegierten Zugang zu dem gemeinsamen Ledger auf eine Gruppe berechtigter, bekannter Identitäten, doch anders als private Blockchains befinden sie sich nicht unter der Kontrolle einer einzelnen Organisation, sondern einer Gruppe föderierter Unternehmen; so steigern sie das Vertrauen in die Fairness des Systems.
Alle diese Architekturen implementieren einen gemeinsamen dezentralisierten Datenspeicher in einem Peer-to-Peer-Netzwerk und kombinieren Public-Private-Key-Kryptografie mit Transaktionsregeln und Konsensmechanismen, um sicherzustellen, dass böswillige Akteure die Blockchain nicht manipulieren können.
Transaktionsregeln bestimmen die Gültigkeit einzelner Blockchain-Operationen. Konsensmechanismen haben zum Ziel, eine Übereinkunft über die „authoritative Version“ der Blockchain zu finden.
Mit der geschickten Wahl einer passenden Blockchain-Plattform steht und fällt der Erfolg der Lösungen, die darauf aufbauen. Diese Entscheidung beeinflusst die Leistungsfähigkeit der resultierenden Blockkette und ihre langfristige Skalierbarkeit. Sie bestimmt die verfügbaren Methoden der Konsensbildung, die Möglichkeiten der Interoperabilität, die Herausforderungen der Cybersicherheit und zahlreiche andere Merkmale der Lösungen, die darauf aussetzen sollen. Die Konsequenzen sind schwer von der Hand zu weisen.
Die erste Liga: Ethereum und Hyperledger
Blockchain-Frameworks gibt es in Hülle und Fülle. Der Markt für Blockchain-Plattformen sei stark fragmentiert, urteilt Gartner in einem aktuellen Bericht. Das größte Problem stelle die fehlende Standardisierung dar, behauptet Gartners Senior Research Director Adrian Lee.
Inzwischen sind sogar ganze Blockchain-Ökosysteme entstanden. Sie unterscheiden sich durch ihre Eignung für konkrete Anwendungsszenarien dank Features wie der byzantinischen Fehlertoleranz, der Unterstützung für die berechtigungspflichtige Teilnahme und der Fähigkeit zum Aufbau öffentlicher, Konsortium-kontrollierter und/oder privater Blockchains.
Der Begriff der byzantinischen Fehlertoleranz bezeichnet die Resistenz einer verteilten Software gegen Sabotage durch bösartige Insider. Diese schwer zu bewältigende Herausforderung gilt als der Grundpfeiler für die Zuverlässigkeit der Konsensusbildung durch dezentralisierte Anwendungen (siehe dazu den Beitrag „DApps entwickeln und monetisieren“).
Im Unternehmensumfeld spielen vor allem die quelloffene Blockchain-Plattform Ethereum und Initiativen im Rahmen von Hyperledger, des gemeinschaftlichen Dachprojektes zur Förderung von quelloffenen Blockchain-Lösungen, eine zentrale Rolle. Ethereum unterliegt der ausschließlichen Kontrolle der eigenen Nutzergemeinde; als das primäre Normungsgremium fungiert die Enterprise Ethereum Alliance (EEA). Blockchain-Lösungen der Hyperledger-Familie entstehen unter der Schirmherrschaft der Linux-Foundation.
Ethereum
Bei Ethereum handelt es sich um ein Blockchain-Framework und die gleichnamige öffentliche Blockkette. Ethereum zeichnet sich durch eine leistungsstarke Smart-Contracts-Engine zur Ausführung der sogenannten „smarten Verträge“ und die Unterstützung für begrenzte Compute-Aufwendungen durch das Konzept von "gas" (auf Deutsch etwa „Kraftstoff“). Ethereum ermöglicht die Erstellung privater und Konsortium-kontrollierter Blockchains, zum Beispiel zu Testzwecken, die von der öffentlichen Mainchain abgetrennt sind (zum Beispiel mit Kaleido).
Rund um Ethereum entstand eine ganze Familie verwandter DLT-Lösungen. Zu den interessantesten Forks zählt ConsenSys Quorum von JPMorgan Chase & Co. und der EEA. Bei Quorum handelt es sich im Endeffekt um eine Konsortium-kontrollierte, berechtigungspflichtige Edition von Ethereum, die sich von Go Ethereum (der Basisplattform) ableitet. Quorum verfügt über ein eigenes Konsensverfahren namens QuorumChain. Es bietet die Unterstützung für vertrauliche Transaktionsabwicklung, vertraulichen Vertragscode und andere ähnliche fortgeschrittene Features, mit denen Ethereum selbst nicht aufwarten kann.
Die Enterprise Ethereum Alliance, das Normungsgremium hinter Ethereum, zählt zu ihren Mitgliedern neben zahlreichen innovativen Startups einige der größten Unternehmen aus dem DACH-Raum, u.a. die Henkel AG & Co. KGaA und die Commerzbank AG. Das Framework ist für seine fortgeschrittenen Fähigkeiten zur Umsetzung von „Smarten Verträgen“ bekannt; diese Funktionalität erlaubt es Unternehmen, die Ausführung von Vereinbarungen in Softwarecode zu automatisieren und deren Vollzug dezentralisiert zu protokollieren.
Hyperledger
Im Rahmen des Hyperledger Project der Linux Foundation entstehen unter anderem:
- Hyperledger Fabric (ursprünglich von IBM): Dieses berechtigungspflichtige Blockchain-Framework unterstützt die vertrauliche Kommunikation der Netzwerkteilnehmer in privaten Kanälen (im Übrigen: via Vermittler) und bietet die Fähigkeit zur Umsetzung gemeinsam genutzter Geschäftslogik für die automatische Abwicklung von Vereinbarungen über den sogenannten Chaincode (vergleichbar mit den „smarten Verträgen“ von Ethereum).
- Hyperledger Sawtooth (ursprünglich Sawtooth Lake von Intel): Diese agile, hochskalierbare Blockchain-Plattform für berechtigungsfreie und berechtigungspflichtige Blockchains verfügt über die Fähigkeit zum Echtzeit-Austausch der Konsensus-Engine und erlaubt den Einsatz mehrerer Programmiersprachen.
- Hyperledger Iroha: Dieses Blockchain-Framework glänzt mit seiner byzantinisch fehlertoleranten Konsensus-Engine; es meistert die Erstellung berechtigungspflichtiger Blockchains für mobile Blockchain-Anwendungen zur Verwaltung digitaler Vermögenswerte und smarter Verträge.
- Hyperledger Burrow: Diese Softwareplattform unterstützt die Abwicklung von smarten Verträgen in der virtuellen Engine von Ethereum (EVM) und zeichnet sich durch die besondere Fähigkeit aus, Berechtigungen zu erzwingen.
- Hyperledger Indy: Dieses Blockchain-Framework fokussiert auf die dezentralisierte Identitätenverwaltung.
- Hyperledger Grid: Diese Sammlung von Blockchain-Frameworks und -Bibliotheken dient zur Erstellung von Blockchain-Lösungen speziell für die Verwaltung von Versorgungsketten.
- Hyperledger Caliper: Dieses Benchmark-Framework kann die Leistung einer bestimmten Blockchain-Implementierung anhand einer Reihe von vordefinierten Anwendungsfällen vergleichbar machen.
Zu den treibenden Kräften hinter Hyperledger zählen zahlreiche namhafte deutsche Branchenriesen, darunter die Daimler AG, die Deutsche Bank AG, die Robert Bosch GmbH und die SAP SE. Alle vier beteiligen sich vorrangig am Blockchain-Framework Hyperledger Fabric, doch auch andere Blockchain-Entwicklungen haben für Unternehmen eine hohe Relevanz. Unter dem Schirm des Hyperledger-Projektes entstehen mehrere vielversprechende Frameworks mit sehr unterschiedlichen Nutzungsszenarien. Daimler nahm eigenen Angaben zufolge gleich mehrere verschiedene Blockchain-Frameworks auf die Probefahrt. Nach umfassender Evaluierung haben die Daimler-Forscher Cornelius Ihle und Omar Sanchez das Hyperledger Fabric der Linux Foundation offiziell zum bevorzugten Blockchain-Framework der Daimler AG gekürt. Die Walldorfer SAP SE hat die Unterstützung des Blockchain-Frameworks Hyperledger Fabric in SAP HANA integriert. Oracles Salesforce setzt zur Abwechslung auf Hyperledger Sawtooth.
Interessante Entwicklungen entstehen außerdem unter der Obhut führender Finanzinstitute (die Blockchain-Plattform R3 Corda) wie auch in den Forschungslaboren von IT-Riesen Microsoft, IBM & Co.
Microsofts Confidential Consortium Framework (kurz: CFF, zuvor Coco) fokussiert auf die hochleistungsfähige Transaktionsabwicklung in skalierbaren, vertrauenswürdigen Netzen. Microsoft bietet hierzu eine sogenannte vertrauenswürdige Ausführungsumgebung unter Windows (die sogenannte Trusted Execution Environment, kurz TTE). CCF ist kompatibel mit nahezu jedem DLT-Protokoll und integriert sich u.a. mit Hyperledger Sawtooth, Ethereum, Corda und anderen Blockchains. MultiChain, eine quelloffene Blockchain-Plattform von Coin Sciences Ltd., ist ein Fork von Bitcoin Core. Die Plattform ermöglicht die Erschaffung öffentlicher wie auch privater Blockketten (also solcher mit berechtigungspflichtigem Zugriff) und kann mehrere Blockchains gleichzeitig handhaben.
R3, ein Konsortium von Finanzinstituten, beaufsichtigt die Entwicklung von Corda, eines quelloffenen Entwicklungsframeworks für Finanzdienstleistungen und Versorgungsketten. Bei Corda handelt es sich um eine spezialisierte Plattform für private Blockchains mit berechtigungspflichtigem Zugriff und der Fähigkeit zur Wahrung der Vertraulichkeit von Transaktionen.
Ungeachtet des Blockchain-zentrischen Marketings weicht Corda von der Architektur herkömmlicher Blockketten radikal ab. Anstatt jede Transaktion durch jeden Knoten validieren zu lassen, setzt Corda auf die sogenannten Notaries, also spezielle vertrauenswürdige Netzwerkteilnehmer, welche einzelne Transaktionen mit einer digitalen Signatur beglaubigen. Die Corda-Plattform verzichtet so auf die Erstellung einer einheitlichen, gemeinsam genutzten Blockchain. Die einzelnen Knoten haben hier Zugriff nur auf eine Untermenge des Transaktionsprotokolls, da sie der notariellen Beglaubigung der Transaktionen durch die Notaries vertrauen müssen.
Fazit
Das halsbrecherische Innovationstempo der Blockchain-Entwicklung hält an. Die Vielzahl der verfügbaren Blockchain-Plattformen ist schlicht erdrückend. Dennoch haben Unternehmen bei der Wahl ihres Blockchain-Ökosystems die sprichwörtliche Qual der Wahl. (mehr zum Thema DLT für KMUs im Bericht „Blockchains für den Mittelstand“ Zudem müssen sich die Entwickler der DLT-Technik wie auch ihre Nutzer derzeit generell mit einigen grundlegenden Kinderkrankheiten ihrer Lösungen auseinandersetzen, allen voran Skalierbarkeit und Interoperabilität (mehr zum Thema Skalierbarkeit im Bericht „Skalierbarkeit der Blockchain“).
„Trotz luftiger Versprechen hat sich die Erschaffung einer dezentralen, sicheren und skalierbaren öffentlichen Blockchain als eine nicht zu unterschätzende Herausforderung erwiesen“, sagt Beniamin Mincu, CEO von Elrond, dem Anbieter einer hochskalierbaren Blockchain-Plattform. Elrond hat sich das Konsensverfahren Secure Proof of Stake und Adaptive-State-Sharding auf die Fahnen geschrieben.
Über die Autoren: Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins arbeiten für McKinley Denali Inc. (USA).
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