Transaktionen via Blockchain abwickeln Blockchain-gestützte Bezahlsysteme

Von Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins

Elektronische Zahlungssysteme haben es in sich: Alles muss blitzschnell, stressfrei und komfortabel „über die Bühne“ gehen. Gleichzeitig darf der Vorgang den Verbraucher nichts kosten und sicher genug muss er ohnehin schon sein, oder Pech gehabt.

Der besondere Reiz der Blockchain besteht in der Fähigkeit, bei der Abwicklung von digitalen Transaktionen im Peer-to-Peer-Verfahren Kosten zu senken und Vertrauen zu schaffen.
Der besondere Reiz der Blockchain besteht in der Fähigkeit, bei der Abwicklung von digitalen Transaktionen im Peer-to-Peer-Verfahren Kosten zu senken und Vertrauen zu schaffen.
(© Bits and Splits - stock.adobe.com)

Für die Banken und andere Betrugsopfer geht dieses „Hauptsache-Schnell-und-Billig“ oft ziemlich nach hinten los aus. So hat beispielsweise im Sommer dieses Jahres die Volksbank Freiburg aufgrund einer „Zunahme an Betrugsfällen“ den Zahlungsverkehr mit den Direktbanken N26, Fidor, Revolut, Bunq und der solarisBank „temporär eingestellt“. In diesem Fall ging es um Online-Überweisungen, aber auch der Missbrauch von Zahlungskarten belastet das Finanzsystem.

Traditionelle Banken tun sich ohnehin recht schwer, wenn es darum geht, in der digitalisierten Wirtschaft des Industrie-4.0-Zeitalters noch Gewinne zu erwirtschaften. Obwohl die Banken Milliarden von Euros bewegen, dürfen sie diese enormen Geldsummen für immer kürzere Zeiträume für sich arbeiten lassen. Des einen Freud des anderen Leid. Was die Banken maßlos ärgert, nämlich eine aktuelle Generation von „digital-nativen“ Bankenkunden, die ihre Finanztransaktionen ganz selbstverständlich per Smartphone in Nahezu-Echtzeit abwickeln, freut die Blockchain-Gemeinde ungemein.

Allen Betroffenen ist eines dennoch mittlerweile klar: Traditionelle IT mit ihren zentralisierten, monolithischen Anwendungen ist den Herausforderungen der massiv digitalisierten Wirtschaft längst nicht mehr gewachsen. Es müssen neue Lösungen her, und sei es eben auf Blockchain-Basis.

Transaktionsabwicklung auf die Blockchain-Art

Der besondere Reiz der Blockchain besteht in der Fähigkeit, bei der Abwicklung von digitalen Transaktionen im Peer-to-Peer-Verfahren Kosten zu senken und Vertrauen zu schaffen. Durch den Wegfall zentraler Vermittler entfällt ein Großteil der Transaktionskosten. Auf eben diese Eigenschaften der Blockchain setzen Unternehmen wie Bitpay, Anbieter einer Zahlungssystems in Bitcoin. Der Service erlaubt es Unternehmen, Zahlungen in Bitcoins auf ihrer Webseite, per E-Mail oder am PoS (Point of Sale) entgegenzunehmen und in Währungen wie der Euro auf ein gewöhnliches Bankkonto ausgezahlt zu bekommen. Zu den Benutzern von Bitpay zählen so bekannte Namen wie Microsoft, die lettländische Fluglinie airBaltic, die Webshop-Plattform Shopify und der IT-Händler Newegg.

Doch damit nicht genug. Als ein manipulationsresistentes Ereignisprotokoll und Vertrags-Engine zeigen Blockchains ihre Stärken bei der Automatisierung komplexer Geschäftsabläufe wie der Zahlungsabwicklung von Außenhandelstransaktionen (mehr dazu im Bericht „Blockchain-gestützte Supply-Chain-Lösungen“). Die Möglichkeiten zur Umsetzung KI-gestützter Kontrollen der Zahlungsflüsse im Rahmen der Betrugsfrüherkennung versprechen neue Spielräume durch zweckmäßigeres Risikomanagement in Echtzeit.

Kürzlich hat R3, ein Konsortium führender Finanzinstitute, der Relevanz des Blockchain-Frameworks Corda neuen Nachdruck verliehen.

Flexibilität der besonderen Art: Die Gegenpartei einer Transaktion mit der Beteiligung von Corda Settler benötigt keine Corda-Blockchain und kann die Zahlung in einer beliebigen Währung akzeptieren.
Flexibilität der besonderen Art: Die Gegenpartei einer Transaktion mit der Beteiligung von Corda Settler benötigt keine Corda-Blockchain und kann die Zahlung in einer beliebigen Währung akzeptieren.
(Bild: TBA)

Mit einer neuen Abrechnungsplattform namens R3 Corda Settler ist eine Blockchain-Transaktion einer SWIFT-Transaktion erstmals ebenbürtig. Die Gegenpartei einer Zahlung, die von Corda Settler ausgelöst wurde, benötigt keine Corda-Blockchain und kann die Zahlung in einer beliebigen Währung akzeptieren – in nahezu Echtzeit.

Für ihre neue Abrechnungsplattform Corda Settler wählte das R3-Konsortium XRP, die Kryptowährung des Ripple-Netzwerks, als erste und bisher einzige auf der Plattform. Corda Settler dient zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen Krypto- und traditionellen Vermögenswerten innerhalb von Enterprise-Blockchains auf Corda-Unterbau. Die Gegenpartei einer Transaktion mit der Beteiligung von Corda Settler benötigt keine Corda-Blockchain und kann die Zahlung in einer beliebigen Währung akzeptieren.

Blockchain-Zahlungssysteme in Bedrängnis

Laut einem aktuellen Bericht des Beratungsunternehmens McKinsey & Co. sei die Blockchain-Technologie im Finanzsektor „noch nicht aus ihren Kinderschuhen“ herausgewachsen. Von einigen Ausnahmen einmal abgesehen, so die Analysten in ihrem Urteil weiter, seien viele Blockchain-Zahlungsprojekte in der Startphase versackt. Als eine löbliche Ausnahme stellt McKinsey das Ripple-Netzwerk heraus und vergisst dabei geflissentlich zu erwähnen, dass dieses Echtzeit-Zahlungssystem gar keine Blockchain im engen Sinne ist.

Als einen Grund für das vermeintliche Versagen so vieler Blockchain-Startups nennen die Analysten das gleichzeitige Aufkommen anderer, ähnlich transformativer Zahlungstechnologien.

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Zum Teil kam die Innovation von einer komplett unerwarteten Seite. Nachdem das bisher dominierende internationale Zahlungssystem, SWIFT, sich in den vergangenen vier Jahrzehnten auf seinen Lorbeeren ausruhen konnte, stand es auf einmal in Zugzwang und holte 2017 gegen den Vormarsch der Blockchain-Innovatoren voll aus. Mit SWIFT gpi sind nun wirtschaftsraumüberschreitende Zahlungen transparent in Echtzeit überwachbar und am selben Tag beim Empfänger – auch über den Atlantik oder Pazifik hinweg.

Bis dahin galten ja grenzüberschreitende Zahlungen über das SWIFT-Korrespondenzbankensystem als schneckenlangsam. Das Aufkommen von Blockchain-gestützten Zahlungsnetzwerken hat der Modernisierung des Systems eine neue Dringlichkeit verliehen.

Das SWIFT-Netzwerk ist allgegenwärtig: Mehr als 11.000 Finanzinstitute nutzen den Service weltweit in mehr als 200 Ländern und Territorien. SWIFT hat also eine Menge zu verlieren.

Auch für viele Banken war es schon die höchste Eisenbahn. Etablierte Finanzinstitute standen seitens ihrer digitalisierten Kundschaft unter einem enormen Druck, grenzüberschreitende Zahlungen endlich in das 21. Jahrhundert zu holen. So sind ja auch die ganzen Online-Alternativen zu den "filialisierten" Banken entstanden.

Weichen gestellt: Die globale Entwicklung der Kapitalinvestitionen in FinTechs zeigt die wachsende Zuversicht der Investoren.
Weichen gestellt: Die globale Entwicklung der Kapitalinvestitionen in FinTechs zeigt die wachsende Zuversicht der Investoren.
(Bild: Accenture)

Seither gab es in den Blockchain-FinTechs Stühlerücken, aber auch eine Menge neuer Innovationen. Mit der Erschaffung von Fiat-Token und Stablecoins wie des USD Coins (USDC) hat sich die erste Generation Blockchain-gestützter Zahlungsdienste wie Circle erübrigt (Circle Pay ist eingestellt). Mit der Stablecoin-fähigen Generation von Zahlungsdiensten auf Blockchain-Basis können Nutzer ihre Vermögenswerte auch in Fiat-Währungen nahtlos über Blockchains übertragen, ohne das Risiko der hohen Volatilität von Kryptowährungen auf sich nehmen zu müssen. Dienste wie Coingate, eine Zahlungsschnittstelle für Bitcoin und Altcoins (nutzbar u.a. mit Prestashop) und CoinPayments (mit Unterstützung für die Webshop-Plattforms WooCommerce, Shopify, Magento und andere) haben mit ihren gelungenen Webshop- und PoS-Integrationen die Akzeptanz von Kryptowährungen und Token als Zahlungsmittel wesentlich gesteigert.

Eine hohe Priorität: Mit einem Anteil von 23 Prozent an der Gesamtsumme der Investitionen in FinTechs zählen neuartige Zahlungssysteme zu den beliebtesten Kategorien.
Eine hohe Priorität: Mit einem Anteil von 23 Prozent an der Gesamtsumme der Investitionen in FinTechs zählen neuartige Zahlungssysteme zu den beliebtesten Kategorien.
(Bild: Accenture)

Investoren zeigen sich weiterhin zuversichtlich. Laut Accenture soll allein im vergangenen Jahr sollen global über 55 Milliarden US-Dollar (55.334 Millionen) an neuem Investitionskapital in FinTechs hineingeflossen sein; nahezu ein Viertel davon sei an die Entwicklung von Zahlungssystemen zweckgebunden.

Die eine oder andere Kapitalspritze dürfte sicherlich Früchte tragen, zum Beispiel im Bereich der M2M-Zahlungen.

M2M-Zahlungen

Bei der Übertragung von Kryptowährungen, Token oder anderen Vermögenswerten in einem Peer-to-Peer-Netzwerk auf Blockchain-Basis entfallen zentrale, vertrauenswürdige Vermittler und mit ihnen ein Großteil der Transaktionskosten. Dies allein schafft Potenzial für Zahlungsflüsse, die sich sonst niemals gerechnet hätten, wäre der Aufwand der Zahlungsabwicklung nicht beinahe gleich Null.

Dank Blockchain-gestützten Zahlungssystemen können Unternehmen ganz neue Einnahmequellen erschließen. Mit ihrer Fähigkeit zur automatischen Abwicklung von Transaktionen via M2M-Kommunikation bei der Erfüllung von smarten Verträgen schafft die Blockchain-Technik erhebliche neue Potenziale für strikt nutzungsbezogene Zahlungsflüsse, zum Beispiel in der Unterhaltungsindustrie oder in der Logistik. So könnte ein Fahrzeug beispielsweise die anfallenden Mautgebühren in Abhängigkeit von der Beladung automatisch entrichten oder an einer Strom-Ladesäule bezahlen und auch gleich etwaige Steuern an die zuständigen Ämter abführen.

M2M-Zahlungen: Für das Pilotprojekt eines Blockchain-gestützten M2M-Zahlungssystems der Commerzbank hat Daimler einen LKW der Actros-Serie mit der nötigen Hardware ausgestattet.
M2M-Zahlungen: Für das Pilotprojekt eines Blockchain-gestützten M2M-Zahlungssystems der Commerzbank hat Daimler einen LKW der Actros-Serie mit der nötigen Hardware ausgestattet.
(Bild: Mercedes-Benz AG)

Auf der Basis der quelloffenen Blockchain-Plattform Corda hat die Commerzbank ein Prototyp eines solchen Zahlungssystems für Maut-Gebühren entwickelt. Im August nahm Daimler das Projekt auf die Probefahrt. (Bei Corda handelt es sich um ein Blockchain-Framework für interoperable Blockchain-Netzwerke für smarte Verträge und unterliegt der Aufsicht des Bankenkonsortiums R3.)

Daimler sieht das System als Grundlage einer rechtsverbindlichen Identität, der „Truck ID“. Mit dieser könnte ein fahrerloser LKW eigenständig Zahlungen tätigen und Vorgänge gegenzeichnen, sofern die geforderten Beträge mit den abgeschlossenen „smarten“ Verträgen tatsächlich übereinstimmen – ohne die Notwendigkeit einer Vorabprüfung durch Menschen.

Spediteure könnten dann die Buchungen direkt in ihrem Buchhaltungssystem nachverfolgen. Daimler hat hierzu auch schon die Telematik-Steuereinheit mit einem kryptografischen Prozessor, WLAN-Funktechnik und der benötigten Software ausgestattet. Den beiden Geschäftspartnern ginge es darum, eine technologische Grundlage für eine „Maschinen-Ökonomie“ zu schaffen, die ohne Menschen auskomme.

Für die Umsetzung des Systems wäre die Blockchain rein technisch gar nicht unverzichtbar. Doch ohne die DLT-Technik würde sich die Implementierung und Wartung eines dezentralen verteilten IoT-Systems dieser Art unnötig kompliziert und damit wesentlich teurer gestalten. Der Blockchain-Unterbau sichert eine potenziell hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Betriebsausfällen von Teilen der IT-Infrastruktur, einen hohen Transaktionsdurchsatz, geringe Transaktionskosten und eine höhere Widerstandsfähigkeit im Vergleich zu einem konventionellen Datenbanksystem. Die Transaktionsfinalität findet mit der Beteiligung von Notar-Servern statt.

Fazit

Blockchain-Zahlungen werden zunehmend hoffähig und Unternehmen und Finanzdienstleister tun gut daran, sich des Themas aktiv anzunehmen, denn die Konkurrenz schläft nicht!

Über die Autoren: Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins arbeiten für McKinley Denali Inc. (USA).

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