Anwendungsentwicklung ohne Code 4 echte No-Code-Plattformen

Von Mirco Lang

App- und Software-Development ohne Code ist einer der großen Trends – aber mit welchen Lösungen geht das? Im Meer der Low-Code-Plattformen gehen No-Code-Varianten schnell unter.

Datenflussdiagramme als App-Basis in Unqork.
Datenflussdiagramme als App-Basis in Unqork.
(Bild: Lang / Unqork)

No-Code-Plattformen versprechen die Entwicklung eigener Anwendungen ganz ohne textuelle Programmiersprache – meist per Drag and Drop. No-Code-Projekte gehören in die Kategorie visuelle Programmierung, in die auch die vielen Puzzle-Baustein-Systeme fallen, die eher auf Lernprozesse ausgerichtet sind und hier explizit ausgenommen werden.

Jene Plattformen, die „nur“ APIs vorhandener Services miteinander verbinden, bleiben hier ebenfalls außen vor; solche iPaaS-Dienste stellen wir Ihnen in Kürze separat vor. Hier geht es um Dienste für den professionellen, produktiven Einsatz – mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Spreadsheetweb

Excel-Apps als Web-Anwendungen
Excel-Apps als Web-Anwendungen
(Bild: Lang / Spreadsheetweb)

Spreadsheetweb bietet einen eher seichten Einstieg und ebensolchen Funktionsumfang – passt aber perfekt auf den von No-Code avisierten Anwender, den Citizen Developer, also den normalen Nutzer als Entwickler. Denn in der alltäglichen Praxis in Unternehmen entstehen seit jeher Anwendungen auf Basis von Tabellenkalkulationen, in aller Regel also Microsoft Excel.

Spreadsheetweb setzt genau dort an und macht Excel-Tabellen zu Web-Anwendungen. Daher auch die Bezeichnung „seicht“: Die eigentliche Anwendungslogik muss in diesem Fall bereits vorhanden sein. Spreadsheetweb kann dabei auch Dateien mit mehreren Tabellen und verschachtelten Funktionen verarbeiten. Über eine recht intuitive Weboberfläche lassen sich grafische Oberflächen für Ein- und Ausgabe von Daten erstellen, weitere Datenquellen verbinden (Google Sheets, Dropbox, Slack, Salesforce etc.), Events (Druck, Email, Export, Erreichen eines Wertes) aufsetzen und intern Datenbanken aufbauen und verknüpfen.

Die Anwendungen werden direkt bei Spreadsheetweb gehostet, Accounts beginnen bei 25 Euro monatlich für eine einzelne Applikation. Im Gegensatz zu manch anderen Plattformen mag Spreadsheetweb ein wenig hemdsärmelig und Excel-Tabellen dürften für „echte“ Entwickler eher ein rotes Tuch sein, aber der Dienst zollt der Praxis Tribut und kann Excel-Apps deutlich aufwerten.

Airtable

Eine Art Online-Excel plus Logik und Anbindung von Dritt-Apps
Eine Art Online-Excel plus Logik und Anbindung von Dritt-Apps
(Bild: Lang / Airtable)

Airtable holt ebenfalls Excel-Junkies ab, aber mit anderem Fokus und anderer Herangehensweise. Zwar lassen sich auch hier Tabellen und Daten aus Excel und ähnlichen Anwendungen importieren – allerdings geht es dabei nur um Daten, nicht um Logik und Funktionen.

Die eigentliche Entwicklung findet bei Airtable selbst statt. Zum einen lassen sich Tabellen/Datenbanken komfortabel erweitern, beispielsweise mit Anhängen wie Portraits, Metadaten, Formeln und so weiter. Zum anderen ist es möglich, Funktionen in der Form „Trigger plus Aktion“ zu erstellen. So kann zum Beispiel ein Mail-Versand oder eine Slack-Nachricht ausgelöst kann, wenn ein bestimmter Wert erreicht oder eine Aktion in einer bestimmten Ansicht erkannt wird.

Ansichten sind eine der großen Stärken von Airtable, beispielsweise lassen sich Tabellen sofort als Kanban-Board aufrufen und nutzen. Wie auch Spreadsheetweb ist Airtable natürlich stark Datenbank-getrieben und entsprechend limitiert. Beide Dienste ähneln sich auf den ersten Blick, doch sie sind grundlegend verschieden.

Spreadsheetweb macht aus Excel-Apps modernere, angereicherte Web-Anwendungen, bei Airtable werden Apps von der Basis aus erstellt – es verhält sich diesbezüglich eher wie ein Online-Excel. Airtable bietet kostenlose Accounts, professionelle Pläne starten bei 10 Euro monatlich. Einige praktische Einblicke in Airtable zeigen wir hier.

Unqork

Datenflussdiagramme als App-Basis.
Datenflussdiagramme als App-Basis.
(Bild: Lang / Unqork)

Bei Unqork wird es schon deutlich komplexer. Die Plattform ist spezialisiert auf die Branchen Finanzen, Gesundheit, Versicherung und öffentliche Verwaltung, lässt sich aber auch in beliebigen Feldern nutzen.

Schwerpunkt bei Unqork ist die Erfassung, Evaluierung und Ausgabe von Daten, die für Geschäftsprozesse benötigt werden – wie beispielsweise der Verkauf einer Versicherung. In einer Unqork-Anwendung könnten Nutzer so beispielsweise ihre Daten samt etwa einem Führer- oder Fahrzeugschein eingeben, welche dann mit externen Datenbanken (Schufa, KFZ-Kennzeichen etc.) abgeglichen werden und letztlich zu einem individuellen Angebot führen.

Grundlage für Apps sind zum einen konkrete Datenmodelle und Datenflussdiagramme. Das Vorgehen ist – im Prinzip – relativ simpel: Es werden Workflows erstellt, die sich auf beliebige Swimlanes verteilen und jeden einzelnen Verarbeitungsschritt für Daten darstellen.

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In einer ersten Bahn könnten etwa die einzelnen Schritte/Screens für die Registrierung eines Nutzers (persönliche Daten, Produktauswahl …) als einzelne Bausteine angelegt und als Workflow miteinander verknüpft werden – einfach per Drag and Drop. In einer zweiten Bahn könnten dann die automatisierten Abläufe erfasst und in den Workflow eingebunden werden (etwa Verifizierung einer Adresse oder abschließende Mail-Bestätigung).

All diese Bausteine des Workflows lassen sich dann separat über einen grafischen Designer konfigurieren, sprich optisch gestalten, mit Formatvorgaben versehen, externen Ressourcen verbinden und so weiter. In der Regel geschieht dies alles per Drag and Drop und simple, typische WYSIWYG-Elemente.

Unqork liefert dabei viele vorgefertigte Bausteine und Funktionen. Zum einen über mitgelieferte Vorlagen, zum anderen über den hauseigenen Store, über den sich zum Beispiel Funktionen wie For- und While-Schleifen einbauen lassen. Und spätestens hier dürfte klar werden, dass Unqork deutlich flexibler als die oben vorgestellten – flapsig ausgedrückt – „Cloud-Native-Tabellenkalkulationen“ ist. Dazu gehören auch Funktionen zum Lifecycle Management, Integration individueller APIs, Monitoring, Analyse und ähnliche Tools, die für die Integration in größere Umgebungen von Nöten sind.

Die Zugänglichkeit von Unqork ist leider nicht sonderlich gut, Informationen zu Preisen sucht man vergeblich, Demo-Zugang gibt es nur auf Anfrage (theoretisch, hier gab es keinerlei Antworten …), die Infos auf der Website sind stark Marketing-orientiert und so bleiben vor allem die nur teils gelungenen Videos, um sich Funktionsumfang und -weise zu erschließen. Dennoch ist Unqork derzeit eines der spannendsten No-Code-Projekte.

Betty Blocks

Business-Logik über Entscheidungsbäume.
Business-Logik über Entscheidungsbäume.
(Bild: Lang / Betty Blocks)

Betty Blocks aus den Niederlanden ist ähnlich aufgebaut wie Unqork, ist allerdings nicht auf bestimmte Branchen spezialisiert. Leider sind auch die Ähnlichkeiten bezüglich der Informationslage nicht zu leugnen, Informationen zu Preisen fehlen, der beantragte Demo-Zugang blieb ohne Antwort, tiefergehende Infos scheinen hinter einer Registrierung versteckt.

Auch bei Betty Blocks gibt es einen Designer für die einzelnen Ansichten der App, einen separaten Bereich für Datenmodelle (auch externe Datenbanken), Integrationen für Business-Dienstleister wie Salesforce, Projektverwaltung und einen internen Store für Blöcke, wie die eigentlichen Funktionen bei Betty Blocks heißen. Die Blöcke reißen auch ein wenig das No-Code-Konzept ein, denn hier lassen sich nicht nur fertige Funktionen nutzen, sondern auch eigene Blöcke erstellen und intern oder öffentlich teilen – in ganz traditionellem Code.

Der wirklich interessante Part ist aber auch hier die Business-Logik, der Bereich, wo der Code-Verzicht vor allem zu Tage kommt: Wo Unqork auf ein Datenflussdiagramm als Basis setzt, ist es bei Betty Blocks der Action-Designer, über den per Drag and Drop einen Entscheidungsbaum aufbaut und Logik eben in If-Else-Manier umsetzt.

Interessanterweise setzen sowohl Betty Blocks als auch Unqork bei ihren Beispielen gerne auf die Registrierung von Neukunden und in beiden Varianten läuft die Entwicklung recht ähnlich ab und bietet recht ähnliche Features, inklusive der Validierung der Nutzereingaben. Bei Unqork kommen an der Stelle die Spezialisierungen zum Tragen, so dass etwa die Abfrage von Führerscheindaten (zumindest in den USA) für Versicherungsdienstleistungen zu den Vorlagen gehören. Betty Blocks ist hier freier gestaltet.

Zusammenfassung

Alle hier vorgestellten No-Code-Plattformen haben ihren Reiz. Airtable ist intuitiv und funktioniert komplett in sich geschlossen und ist für No-Code-Neulinge einer der besten Ansätze überhaupt. Spreadsheetweb zeichnet sich vor allem durch seine Realitätsnähe aus – Excel sollte vielleicht nicht die Basis von Anwendungen sein, ist es aber.

Unqork und Betty Blocks bieten mehr Gestaltungsspielraum und wenden sich eher an größere Unternehmen, ersteres insbesondere an die aufgeführten, stark regulierten Branchen in den USA. Betty Blocks weckt Interesse mit einer geradlinigen, modernen Oberfläche und bekannten Gestaltungselementen – wer in größerem Stil No-Code-Optionen im Unternehmen einführen möchte, könnte den Anbieter in die erste Auswahl nehmen, zumal auch der Standort Niederlande seinen Reiz hat.

Welche Plattform im Detail wie gut zu Ihren Ansprüchen passt, lässt sich freilich nur über ein wenig Praxis evaluieren – insofern: Viel Spaß beim Anspielen – No-Code ist nämlich durchaus ein schöner Spielplatz für Entwickler!

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